Schulz gegen "Dreiklassengesellschaft"
"Mehr Macht für EU-Kommission"
Bei den Beschlüssen zur Eurorettung geben die Staats- und Regierungschefs allein die Richtung vor. EU-Kommission und Europaparlament fühlen sich übergangen. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, will das ändern. Schulz wird voraussichtlich im nächsten Jahr zum Präsidenten des Europaparlamentes gewählt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 04.10.2011
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, im Gespräch mit Constanze Pandi
Gegen Wirtschaftsregierung
Schulz kritisiert im Ö1 Interview eine "Dreiklassengesellschaft" in der EU: "Es gibt das deutsch-französische Direktorium, den Rest der Euro-Zone und den Rest der EU mit einer besonderen Stellung für Großbritannien." Schulz ist entschieden gegen eine Wirtschaftsregierung. Neue Aufgaben den Euro-Rettungsschirm betreffend sollten der Kommission übertragen werden. Damit wäre auch eine Kontrolle durch das europäische Parlament gegeben.
"Im Boot" mit Barroso
Europa brauche keine neuen Institutionen. Die zentrale Exekutive sei die Kommission. Regelmäßige Treffen der Staats- und Regierungschefs sind nach Ansicht von Schulz aber keineswegs die Lösung: "Es kann nicht sein, dass in der EU Entscheidungen in der Form eines permanenten Wiener Kongresses getroffen werden." Kommission und Parlament müssten sich durchsetzen und "klipp und klar sagen: Wir akzeptieren nicht, was ihr da beschließt." Als neuer Parlamentspräsident werde er sich mit Kommissionspräsident Barroso diesbezüglich "ins gleiche Boot setzen", so Schulz.
"Destabilisierte Führung in Europa"
Schulz sieht nämlich nicht nur eine Krise des Euro, sondern auch eine Krise jener, die den Euro managen sollten: "Frau Merkels Regierung hat keine Mehrheit mehr im Lande, Herr Sarkozy steht mit dem Rücken an der Wand, Belgien hat seit 15 Monaten keine Regierung, die Niederlande haben eine Minderheitsregierung, die von einer offen antieuropäischen Partei abhängig ist - da ist Herr Strache schon fast ein Demokrat. Wir haben in Italien eine Regierung, die zwei Jahren nichts anderes im Kopf hat, als den Regierungschef vor Strafverfolgung zu schützen. Also wir haben es auch mit einer destabilisierten Führung in Europa zu tun."
Idee Europa retten
Für die Unzufriedenheit vieler EU-Bürger hat Schulz Verständnis. Aber die Idee Europa werde nach wie vor gutgeheißen, ist er sicher, nur der aktuelle Zustand der EU werde abgelehnt. Schulz' Schlussfolgerung: "Wer die Idee retten will, muss Europa anders organisieren." Das empfinde er als seine Aufgabe, wenn er Präsident des Europaparlaments werden sollte.