Kanzlerin Merkel wirbt für EU-Entscheidungen

Deutscher Bundestag muss Segen geben

Dass die Regierungschefs der EU gleich zweimal innerhalb von drei Tagen zu einem Gipfel müssen, das liegt an den komplizierten Spielregeln der deutschen Europapolitik, die dem Deutschen Bundestag umfangreiche Mitspracherechte einräumen. Bundeskanzlerin Merkel muss heute Überzeugungsarbeit im Bundestag leisten.

Mittagsjournal, 24. 10. 2011

Diplomatisch peinliche Angelegenheit

Es ist die Stunde der Selbstbehauptung der deutschen Parlamentarier. Zumindest tragen viele ihren sichtbaren Stolz darüber zur Schau, dass sie nun in einer Art und Weise gefragt werden müssen, die auf EU-Ebene einiges durcheinandergebracht hat. Eigentlich hätte die EU am Mittwoch ihren großen Gipfel mit China abhalten sollen. Daraus wird nichts – eine diplomatisch höchst peinliche Angelegenheit für die EU-Spitze, für die meisten Politiker im deutschen Bundestag aber ein notwendiges Zeichen dafür, dass ohne sie nichts gehen kann. Deutschland darf in EU-Dingen, das wurde aus Rücksicht auf das Verfassungsgericht so festgelegt, nicht in Gestalt der Bundeskanzlerin frei entscheiden. Bei größeren Brocken muss das Parlament zustimmen, und so muss die EU zweimal tagen. Am Mittwoch dann mit dem erwarteten Segen des Deutschen Bundestages.

Steinmeier kritisiert Krisenmanagement

Montagvormittag bittet Angela Merkel die Fraktionschefs zu sich und unterrichtet sie über die vorläufigen Ergebnisse des Brüsseler Gipfels vom Sonntag. Merkel bittet sie dann um Zustimmung zu einer am Mittwoch zu beschließenden definitiven Regelung. Ob es die Regelung in allen Details überhaupt schon gibt, ist höchst zweifelhaft. Vor dem Beginn bei der Bundeskanzlerin meldet der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier daher auch große Zweifel an: "Weder ist vereinbar, was die Banken denn beibringen als Teil ihres Gläubigerbeitrages zur Sanierung Griechenlands, noch gibt es eine Verständigung auf das Modell, mit dem der europäische Rettungsschirm effektiver ausgestattet werden soll. Ich glaube, da ist noch viel Arbeit zu tun. Nicht, weil ich Fraktionschef der SPD bin, bin ich besorgt, sondern ich bin besorgt, weil das Krisenmanagement einfach nicht stimmt."

Streit um Modelle

Zum Zankapfel dürften die Modelle werden, mit denen die Schlagkraft des Euro-Rettungsfonds gestärkt werden soll. Im Prinzip ist fix und fertig beschlossen, dass Deutschland mit 211 Milliarden Euro für diesen Fonds gutsteht. Die jetzt diskutierten Konstruktionen, diesen Fonds mit Versicherungs- oder Zusatzfondslösungen mächtiger zu machen, machen die deutsche Garantiesumme zwar nicht höher, aber sie erhöhen das Risiko, dass dieses Summe tatsächlich einmal fällig werden könnte. Immerhin sind das rund zwei Drittel eines jährlichen deutschen Staatshaushaltes.

Parlament könnte Merkel schwächen

Daher ist heute auch nicht sicher, ob die neuen Euro-Rettungsgpläne im Schnellverfahren durch den deutschen Bundestag gehen können, durch Kenntnisnahme im Haushaltsausschuss, oder ob sie noch einmal durch das ganze Bundestagsplenum gehen müssen. Eine Zurückweisung der Pläne durch das deutsche Parlament scheint als höchst unwahrscheinlich. Denkbar wäre aber, dass der Bundestag der Kanzlerin ein paar zusätzliche Auflagen für den Gipfel am Brüssel mit ins Gepäck steckt. Was das Selbstbewusstsein des Parlaments weiter verstärkt. Was allerdings die Verhandlungsposition der Kanzlerin auf europäischer Bühne empfindlich zu schwächen droht.