Hoffnung auf Richtungsentscheidung

Scheitert der EU-Gipfel?

Ein EU-Gipfel am Wochenende soll die Dauerkrise um Griechenland und die gesamte EU lösen. Doch Deutschland und Frankreich sind uneinig. Um Zeit zu gewinnen, hat man einen zweiten Gipfel für Mittwoch angesetzt. Die Annahme, der Gipfel sei schon zum Scheitern verurteilt, ist dennoch zu pessimistisch. Vielleicht wird es eine Richtungsentscheidung geben.

Mittagsjournal, 21.10.2011

Raimund Löw und Christian Williwald analysieren

Ernst der Lage ist allen bewusst

Den Europäern ist bewusst, dass es um mehr geht als um die Situation der Banken oder die verzweifelte Lage Griechenlands. Es geht um die Stellung Europas im 21. Jahrhundert. Wenn die EU zerfällt - dieses Horrorszenario wird auch gezeichnet -, dann kommen in ein paar Jahren oder Jahrzehnten die Vorgaben nicht aus Brüssel, sondern von den Finanzriesen aus China oder Amerika. Das sehen die Regierungen genauso, daher ist kein totaler Pessimismus angebracht.

Nationale Denkweise überfordert

Die Frage, um die sich alles dreht: Wie muss der Schutzschirm gestaltet sein, damit auch große Länder wie Italien oder Spanien verteidigt werden könnten. Zu dieser politischen Entscheidung braucht es einen finanziellen Rahmen, der das nationalstaatliche Denken der Politiker sprengt. Da geht es um Tausende Milliarden Euro - eine Größenordnung wie in den USA in der Finanzkrise 2008. Auch damals hat man so große Instrumente in die Hand genommen. In Europa ist man das nicht gewöhnt, daher schockiert das viele.

Dass es zwei Gipfel geben soll - einen zur Diskussion am Sonntag und einen zur Entscheidung am Mittwoch - kann man auch so interpretieren, dass man sehr ernsthaft sein will und erst mit den eigenen Abgeordneten diskutieren will, bevor man Entscheidungen trifft.

Blockiert Italien?

Im Streit zwischen Frankreich und Deutschland über die Gestaltung des Rettungsschirms sind jetzt die Experten am Zug. Die Frage ist dabei, wie ein Kompromiss zwischen der französischen Vorstellung eines Finanzhebels und der deutschen Idee einer Versicherung aussehen kann. Die Vorstellungswelt der Politiker ist bei derartigen Größenordungen überfordert. Dazu kommt, dass Italien offenbar nicht begeistert davon ist, mit welchen Auflagen eine mögliche EU-Hilfe verbunden sein könnte. Auch das dürfte derzeit eine Einigung erschweren.

Komplizierte Entscheidungsprozesse

Die grundsätzliche Frage ist aber auch, ob die Entscheidungen in der EU richtig laufen: In den vergangenen Monaten ist schon viel passiert: Es sind Kontrollmechanismen und Aufsichtsorgane für die europäische Finanzwelt eingeführt worden, der Euro-Schutzschirm wurde geschaffen, Irland und Portugal sind stabilisiert worden. Aber der Entscheidungsprozess war wahnsinnig kompliziert. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel muss vor Verhandlungen in Brüssel ein Mandat ihres Bundestages haben. Da wäre es einfacher zu sagen, die demokratische Legitimation soll vom europäischen Parlament kommen. Dazu müsste man aber die gesamte Konstruktion der Eurozone ändern, und das ist auch ein Punkt, der am Wochenende diskutiert werden wird.