Wie alles begann

Abenteuer mit Cecilia Bartoli

Ein Blick zurück in die Aufnahme-Vergangenheit von Cecilia Bartoli: Vor fast 25 Jahren in Wien, ihre erste Arien-CD mit Rossini - und eine große Überraschung! Wie sonor, wie dunkel, wie tief die Stimme klingt! Cecilia Bartoli, bevor sie "die Bartoli" wurde.

Entdeckungen und Erlebnisse

Was haben wir mit Cecilia Bartoli nicht schon alles erlebt, die über 25 Jahre, die ihre Karriere nun bereits dauert! Seit den späten 1980er Jahren steht die anfangs von ihrer singenden Mutter intensiv gecoachte Römerin im hellen Rampenlicht, und wenn sich in den CD-Läden die Regale unter Buchstabe "V" wie Antonio Vivaldi biegen - ein Unternehmen, sämtliche erhaltenen oder rekonstruierbaren Vivaldi-Opern einzuspielen, ist flott unterwegs -, dann ist das allein ihrer Initiative zu verdanken, denn Cecilia Bartolis Vivaldi-Arien-Album betrat 1999 noch Opern-Neuland.

Auch dass Antonio Salieri nicht nur legendenumwobene Mozart-Gegenspieler-Figur auf der Bühne (Peter Shaffer) und im Film (Istvan Szabo) geblieben ist, sondern zum (überraschend phantasievollen) Opernkomponist aus Fleisch und Blut geworden, geht auf eines der "Themenalben" von Cecilia Bartoli zurück: ihre Salieri-CD von 2003. Wer außer ihr hätte es geschafft, aus einer solchen Raritäten-Kollektion auch noch einen Verkaufsschlager zu machen?

Koloraturen mit Lebenslust

Und weiter: Mit "Opera proibita" (2005) gab uns Cecilia Bartoli klingende Nachhilfe zum Thema "Opernstil im Oratorium" im von Päpsten dominierten und die Sinnlichkeit im Geheimen auslebenden Rom. Mit "Maria" (2007) erschien eine der gefeiertsten Gesangsvirtuosinnen der Belcanto-Ära wieder auf der musikalischen Landkarte, die damals kultisch verehrte Maria Malibran - aber nicht nur mit den bis heute populär gebliebenen Partien, die die Schwester der ebenfalls hoch berühmten Pauline Viardot-Garcia in ganz Europa und Übersee gesungen hat, sondern zusätzlich mit Ausgefallenem von Pacini, Bellini, Hummel und Mendelssohn. (Unvergesslich der Tournee-Bus, der ein kleines rollendes Malibran-Museum an alle Orte brachte, an denen Bartoli das Musikprogramm vorstellte.)

Mit Cecilia Bartolis unnachahmlichem Vortragsstil, den mit scheinbar nie erlahmender Lebenslust herausgeschleuderten Koloraturketten, dem Text "at the tip of the tongue", und als Kontrast der verhauchten Innigkeit ließ und lässt sich das alles neu zum Leben erwecken: Das ist ihr Geheimnis, das ist ihre große Kunst.

Die Tournee zum Klassik-Album

Bislang letzter Streich der Sängerin, die sich ihr "Fach" im Grunde selbst geschaffen hat, irgendwo zwischen Mezzosopran und Sopran, jedenfalls: als lebenssprühende Kunstfigur, war zuletzt eine "Sacrificium" betitelte Platte, mit der sie den Blick aufs an Virtuosität nicht zu überbietende Gesangsrepertoire der Kastratenära lenkte, zugleich aber auf das persönliche Leid aufmerksam machen wollte, das die Lust am musikalisch Absonderlichen auf alle die brachte, bei denen es zu keiner großen Karriere reichte.

Und wieder konnte man nur mit offenem Mund zuhören, wie Cecilia Bartoli noch den besten Countertenören von heute Konkurrenz machte - sie vielleicht sogar übertraf. (Wie immer im Anschluss an die CD-Produktion gab es auch diesmal die Konzert-Tournee mit dem CD-Programm: Auch damit, diese Vermarktungsstrategie des Pop-Kommerz auf die E-Musik zu übertragen, hat Cecilia Bartoli begonnen.

Rossini, "La pietra del paragone", Cecilia Bartoli

Bartolis Debüt-CD mit Rossini

Bei alldem ist vielleicht gar nicht recht aufgefallen, wie sich Cecilia Bartolis Stimme im Lauf der Jahre verändert hat. Sie hatte schon deutlich mehr "sopranige" Farben bekommen, wie die Sängerin mit Nikolaus Harnoncourt im Theater an der Wien in Joseph Haydns "L'anima del filosofo" die Euridice sang - eine Partie, die bei der ersten Aufführung des Werkes in den 1950er Jahren Maria Callas interpretierte!

Freaks können die Töne zählen, um die sich die stimmliche Reichweite von Cecilia Bartoli im Umgang mit der Musik von Gluck, Vivaldi, Salieri nach oben hin ausdehnte, es wird eine Quint gewesen sein - und die planmäßige Arbeit am vokalen Rüstzeug, das "Ausbauen" der Stimme bewundern.

Ernster Rossini war in Reichweite

Tatsächlich gibt es Lied-Aufnahmen mit "der" Bartoli - letzten Juni ist sie 45 geworden -, bei denen sie mehr nach Elisabeth Schwarzkopf klingt, auch dank des bewusst eingesetzten Raffinements, der Schwelltöne, der Diminuendi, als bei ihrer allerersten Arienplatte. Die hat sie in den späten 1980er Jahren in Wien aufgenommen, mit dem erfahrenen Giuseppe Patanè als Partner am Dirigentenpult, und (kurioserweise) mit dem Wiener Volksopernorchester. Der mittlerweile verstorbene Christopher Raeburn von DECCA, einer der großen Förderer der Bartoli, präsidierte den Aufnahmesitzungen, die ausnahmslos Musik von Gioachino Rossini galten.

Und wer diese CD heute wieder hört, dem bleiben - wie so oft bei Cecilia Bartoli - die Augen offen, aber aus unerwarteter Ursache: Wie sonor die Stimme klingt! Wie die satte Contralto-Tiefe den Sound bestimmt! Wenn es (noch) kleine, kaum merkliche Defizite gibt, dann just in der Diskantlage, die sich Cecilia Bartoli bald entschlossen erobern wird. Mit der Rosina im "Barbier von Sevilla" und mit anderem vom Buffa-Rossini begann Bartolis Bühnenlaufbahn. Die CD zeigt, dass sie alle großen, schweren, nur mit heftigem Einsatz zu bewältigenden Hosenrollen des ernsten Rossini in Reichweite gehabt hätte. Sie hat sich anders entschieden - und stattdessen "la Bartoli" erfunden!

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