Gouverneurswahlen und unabhängiges TV
Medwedew kündigt Reformen an
Der russische Präsident reagiert nun doch auf die beispiellosen Anti-Regierungsproteste der letzten Wochen: In seiner Rede zur Lage der Nation kündigt Dmitri Medwedew überraschend die Wiedereinführung der Gouverneurswahlen an und sprach sich für die Gründung eines vom Staat unabhängigen landesweiten TV-Senders aus.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 22.12.2011
Aus Moskau,
Russlands Präsident Medwedew hat in seiner Rede zur Lage der Nation politische Reformen angekündigt. Unter anderem sollen Gouverneure in Russland nicht mehr vom Kreml ernannt, sondern gewählt werden können. Damit reagiert Medwedew auf eine der wichtigsten Forderungen der Opposition. Zudem soll die Korruption stärker bekämpft und das Land weiter modernisiert werden. Medwedew sprach das letzte Mal als Präsident, er gibt im Frühling sein Amt an Regierungschef Putin ab und übernimmt seinerseits dessen Funktion als Ministerpräsident.
Letzte Rede als Präsident
Rund 1.000 Vertreter aus Politik, Militär und Region versammelten sich in einem prunkvollen Saal im Kreml, um der letzten großen Rede von Dmitri Medwedew in seiner Funktion als Präsident zu lauschen. Die jedes Jahr im November stattfindende Rede zur Lage der Nation war heuer um einen Monat verschoben worden, weil man die Parlamentswahlen von Anfang Dezember abwarten wollte.
Kritik wird überprüft
Und auf diese von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahlen, gegen deren Ergebnisse seither zigtausende Russen demonstrieren, ging Medwedew denn auch gleich zu Beginn seiner Rede ein:
"Es gibt viele Kommentare zu den Parlamentswahlen, viele sind unzufrieden. Wie nehmen diese Kritik gerne an und wenn sie gerechtfertigt ist und es tatsächlich Rechtsverletzungen gegeben hat, ziehen wir Konsequenzen."
Recht auf Demonstrationen
Die Demonstrationen seien jedoch kein Problem, meint Medwedew, die Leute hätten das Recht, ihre Meinung zu äußern.
"Wenn jedoch Provokateure und Extremisten im Land Hass und Unruhe schüren und dies mit Unterstützung aus dem Westen, ist das nicht zulässig, so Medwedew. Wir brauchen Demokratie, nicht Chaos"
Wiedereinführung Gouverneurswahlen
Stichwort Demokratie: Medwedew kündigt an, das politische System in Russland grundlegend reformieren zu wollen. So sollen die Gouverneurswahlen wieder eingeführt werden, die von seinem Amtsvorgänger Putin abgeschafft wurden. Zudem soll künftig die Gründung von politischen Parteien vereinfacht werden. Diese Reformen, so Medwedew, seien mit Regierungschef Putin abgesprochen. Sie würden den Bürgern erlauben, stärker am politischen Leben teilzuhaben.
Offenbar sieht sich die russische Machtspitze nach den Massenprotesten seit den umstrittenen Parlamentswahlen gezwungen, Reformwillen zu bekunden.
Unabhängiger TV-Sender
Auch die Medienlandschaft soll neu aufgestellt werden, meint Medwedew und will einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk schaffen, der weder vom Staat noch von seinen Besitzern beeinflusst werde. Ein recht klares Eingeständnis, dass es diese Unabhängigkeit im staatlich kontrollierten russischen Fernsehen derzeit nicht gibt.
Werbetrommel für Putin
Medwedew warf auch einen Blick in die Zukunft und rührte heftig die Werbetrommel für Regierungschef Putin, der sich im März - zum dritten Mal - zum Staatsoberhaupt wählen lassen will.
Russland sei trotz Wirtschaftskrise in einer vergleichsweisen guten Lage, habe wenig Arbeitslose und Inflation und das sei nur der amtierenden Staatsmacht zu verdanken, so Medwedew, und wer auch immer künftig an der Spitze stehen werde, müsse diesen Weg weiter gehen.
Oppositionelle ungerührt
Medwedew soll nach der Präsidentenwahl Putins wieder Regierungschef werden. Die schönen Worte des scheidenden Präsidenten dürften die vielen Regierungskritiker und Oppositionellen ungerührt lassen, die sich für die nächsten Massenproteste vom kommenden Samstag rüsten. Im Internet haben sich schon rund 40.000 Teilnehmer bereit erklärt, im Moskauer Stadtzentrum gegen die mutmaßlich gefälschten Parlamentswahlen und die aktuelle Staatsmacht zu protestieren.