Schuldnerberatung hat Hochsaison

8. April 2017, 21:58

Hochsaison bei der Schuldnerberatung

Der Weg zur Schuldnerberatung ist für viele Menschen äußerst unangenehm, aber oft die letzte Rettung aus der persönlichen Finanzkrise. In den Gängen des Beratungszentrums in Wien Erdberg sitzen Dutzende Menschen auf Holzstühlen. Sie warten mit gesenkten Köpfen vor Milchglastüren auf ihr Beratungsgespräch.

Immer mehr Junge verschulden sich

"Ich habe zuhause nicht gelernt, mit Geld umzugehen", sagt die 25-jährige Sabine. "Ich habe alle möglichen Dinge angemeldet, Handys angemeldet, Menschen zu mir in die Wohnung ziehen lassen, die gemeint haben, ich zahle die Miete. Jetzt stehe ich ohne Wohnung da und mit Schulden."

9.000 Euro Schulden hat Sabine aus Wien nach ihrer abgebrochenen Lehre angehäuft. Sie hat wie viele andere junge Menschen einen hohen Kredit gewährt bekommen und ist so in die Schuldenkrise geschlittert. Kreditfalle Nummer eins bei den Jungen ist das Handy. Ratenzahlungen und Null-Euro Verträge wirken nur auf den ersten Blick verlockend.

"Viele meiner Freunde haben Kredite zwischen 40.000 und 50.000 Euro aufgenommen", sagt Sabine. "Ab und zu können sie das Geld gar nicht mehr zurückzahlen."

Vielfältige Ursachen

Generell sind die Ursachen für Schulden vielfältig: Leichtfertiges Konsumverhalten, Arbeitslosigkeit, gescheiterte Selbstständigkeit -all diese Faktoren werden in dem Wartezimmer der Schuldnerberatung genannt.

Auch das Auseinanderbrechen von Beziehungen treibt viele in den Bankrott. Wie den 28-jährigen Mann aus Ungarn, der seit acht Jahren in Österreich lebt und seit seiner Scheidung auf einem Schuldenberg von 20.000 Euro sitzt.

"Man geht auch nicht mit jeder Kleinigkeit zum Arzt", sagt er. "Man tut weiter. Versucht sich selbst zu heilen. Aber manchmal funkitioniert es nicht."

65.000 Euro Durchschnittsverschuldung

Auch bei Thomas aus Wien hat es nicht funktioniert. Der 39-Jährige hat gerade Privatkonkurs angemeldet. Ihn habe die Selbstständigkeit in den Ruin getrieben, sagt der zweifache Familienvater mit Schulden in der Höhe von 19.000 Euro.

"Ich habe im Verkauf gearbeitet. Im Außendienst hat man mal zwei gute und plötzlich zwei schlechte Jahre", sagt Thomas. "Am Schluss kommt dann immer die ganze Lawine zu zahlen. Und dann kommt es zum Crash."

Die meisten Klienten sind in Thomas' Alter, zwischen 40 und 45 Jahre alt. Sie haben sich schon in jungen Jahren verschuldet und sitzen seither auf konstant wachsenden Verbindlichkeiten. Im Schnitt haben sie Schulden zwischen 45.000 und 65.000 Euro pro Kopf. Dann ist professionelle Hilfe der letzte Ausweg.

Schuldner-Ansturm im Jänner

Über 50.000 Menschen haben sich im Vorjahr an die zehn staatlich anerkannten Schuldnerberatungen gewandt. Allein die Schuldnerberatung Wien kümmert sich jährlich um 10.000 Klienten. Im Jänner ist der Ansturm besonders groß. Die Schuldnerberatung verzeichnet 30 Prozent mehr Neuanmeldungen als in den anderen Monaten.

"Die Menschen haben meistens über Weihnachten das Konto ziemlich am Anschlag", sagt Geschäftsführer Alexander Maly. "Es kommen die Jahresabrechungen und das Bewusstsein, dass die nächste Sonderzahlung, das Urlaubsgeld, ziemlich weit weg ist. Das löst bei den meisten Menschen das Bewusstsein aus, so geht's nicht weiter, ich muss was tun."

100.000 Anträge seit Bestehen

Die 36 Schuldnerberaterinnen und Berater analysieren die Haushaltsbudgets ihrer Klienten, betreuen sie in rechtlichen Belangen, bereiten die Privatkonkurse vor und begleiten sie durchs Verfahren. Heuer wird es in Österreich den 100.000 Privatkonkursantrag seit seiner Einführung 1995 geben. Thomas wird der Privatkonkurs helfen, in einigen Jahren schuldenfrei zu sein. Er schämt sich nicht dafür. "Im engesten Familien- und Freundeskreis sage ich das schon offen", verrät Thomas. "Ich habe ja niemandem etwas getan. Das ist ja nur Geld."

Die Schuldnerberater werden heuer jedenfalls einiges zu tun haben. Denn die Zahl der Kredite steigt weiter und die Wirtschaftsprognosen bleiben trüb.