Justizminister hat auch US-Bürger im Visier

US-Regierung: Gezieltes Töten von Terroristen legal

US-Justizminister Eric Holder hat das gezielte Töten von mutmaßlichen Terroristen als legitim bezeichnet - auch wenn es sich um US-Bürger im Ausland handle. Die Vereinigten Staaten befänden sich in einem bewaffneten Konflikt mit Terroristengruppen wie Al Kaida und Taliban, daher sei es ihnen unter internationalem Recht gestattet, gegen Kriegsgegner vorzugehen, so die Argumentation Holders.

Mittagsjournal, 6.3.2012

Ja zu Tötungen

Darf ein Staat verdächtige Terroristen im Ausland töten, wenn davon auszugehen ist, dass diese Terroristen einen Anschlag planen? Die USA sagen Ja zu diesen sogenannten gezielten Tötungen - und stehen damit im Widerspruch zu vielen Rechtsexperten. Jetzt gehen sie noch einen Schritt weiter. Justizminister Eric Holder hat vor Jus-Studenten in Chicago erstmals erläutert, dass aus Sicht der Regierung Obama auch Amerikaner davon nicht ausgenommen sind. Bisher galt der ungeschriebene Grundsatz: US-Bürger sind immun gegen gezielte Tötungen.

USA verpflichtet zu tödlicher Gewalt

Fünf Monate ist der Präzedenzfall her. Damals wurde der amerikanisch-jemenitische Geistliche Anwar al-Awlaki durch den gezielten Beschuss aus einer amerikanischen Drohne im Jemen getötet. Al-Awlaki galt als Top-Terrorist im Terror-Netzwerk al Kaida. Bisher war die Regierung von Präsident Barack Obama schweigsam, was diesen und zwei weitere Fälle anging. Gestern aber hat Justizminister Eric Holder erstmals öffentlich solche Fälle grundsätzlich als juristisch gerechtfertigt bezeichnet - und auch amerikanische Staatsbürger nicht davon ausgenommen.

„Natürlich ziehen wir es vor, verdächtige Terroristen zu fangen, unter anderem weil wir wertvolle Informationen von ihnen bekommen könnnen. Aber wir müssen sehen, dass es andere Fälle gibt, in denen die Regierung die Autorität - ich würde sogar sagen die Verpflichtung - hat, die USA durch den Einsatz von tödlicher Gewalt entsprechend den Gesetzen zu verteidigen.“

Menschenrechtsexperte sagt Nein

Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak erteilt der juristischen Argumentation von Holder allerdings eine glatte Abfuhr und sagt zu den gezielten Tötungen: Nein. Sie seien grundsätzlich nicht gerechtfertigt, nur in bestimmten Ausnahmesituationen, wie in einem bewaffneten Konflikt.

Also wenn Krieg geführt wird oder Bürgerkrieg herrscht. Dann dürfen die feindlichen Kämpfer - sprich Soldaten - gezielt getötet werden. Andere Ausnahmen wären noch der gezielte Waffengebrauch der Polizei, aber auch der ist streng reglementiert.

Staat als Ankläger, Richter und Henker

Die USA argumentieren aber immer, dass man Krieg gegen den Terrorismus führt - und dann eben Feinde töten darf. Auch das ist abwegig, sagt der Menschenrechtsexperte Nowak. Man könne nicht Krieg gegen eine organisierte Kriminalität wie Terrorismus führen. Das sei eine Erfindung der Bush-Regierung, die von der internationalen Gemeinschaft nie akzeptiert wurde.

Mit gezielten Tötungen werden die Errungenschaften des zivilisierten Miteinander über den Haufen geworfen, von der Unschuldsvermutung einmal ganz abgesehen. Bei gezielten Tötungen spielt der Staat nicht nur den Ankläger, sondern auch noch den Richter und den Henker in einer Person. Es ist einer der guten Grundätze des Rechts, dass man nicht Verdächtige einfach umbringen darf, sagt Nowak.

Dass die USA eigene Staatsbürger immer ausgenommen haben, und das jetzt eben nicht mehr wollen, spielt dabei keine Rolle. Das mache die Sache nicht mehr oder weniger rechtswidrig.

Eindeutig rechtswidrig

Im UNO-Menschenrechtsrat spielen gezielte Tötungen immer wieder eine Rolle und werden als rechtswidrig gebrandmarkt. "Stellen sie sich nur vor, das syrische Regime würde Oppositionelle im Ausland töten, weil sie angeblich Terroristen sind", sagt Nowak. Der internationale Aufschrei wäre riesig.