Winkerlstehen und Nachsitzen nehmen zu
Umstrittene Strafen an Schulen
Vertreter von Schülern, Eltern und Lehrern sind sich einig: Die Schule muss seit einigen Jahren immer mehr Ehrziehungsarbeit leisten. Manche Lehrer greifen aber immer öfter zu Methoden, die längst als vergessen galten: Winkerlstehen, Kollektivstrafen, Nachsitzen. Nun soll gemeinsam ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden, in dem der Umgang zwischen Lehrern und Schülern geregelt wird.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 14.3.2012
Simon Hadler und
Vor die Türe geschickt
Beispiele für die umstrittene Selbsthilfe von Lehrern zu finden, ist nicht schwer. An einem Gymnasium wird etwa ein Schüler, wenn er lästig ist, von einem ansonsten engagierten und beliebten Lehrer vor die Türe geschickt. Dort muss er die Schnalle halten, zum Beweis, dass er nicht davonläuft. AHS-Elternvertreter Theodor Saverschel dazu: das sei eine 70-er Jahre Variante, die nicht in Frage käme.
Winkerlstehen und strafweise Hausübungen
In einer Wiener Volksschule schicken Lehrerinnen einer schwierigen Klasse Kinder ins Winkerl. Paul Kimberger, der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, sagt zwar, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss, hält dieses Vorgehen aber dennoch für falsch: mit Maßnahmen aus dem letzten Jahrtausend könne in einer modernen Schule nichts gewonnen werden.
An einer Hauptschule müssen Schüler ihre nicht erbrachten Hausübungen zur Strafe am Nachmittag in der Schule machen, unter Aufsicht des Direktors. Bundesschulsprecherin Conny Kolmann hält nichts davon: beim Schüler würden dadurch nur negative Emotionen erzeugt.
Lehrer alleine gelassen
Dass Lehrer überhaupt zu solchen Maßnahmen greifen, liegt daran, dass sie sich mit ihrer Überforderung alleine gelassen fühlen, sagt Lehrergewerkschafter Paul Kimberger: es gebe bei den Kindern in den letzten Jahren immer mehr Verhaltensauffälligkeiten. Die Kinder würden von der Schule mehr brauchen. Mit den heutigen Werkzeugen würden die Lehrer nicht mehr das Auslangen finden.
Deshalb greifen Pädagogen vermehrt zu Methoden wie den genannten. Die Leiterin der Abteilung Schulpsychologie im Wiener Stadtschulrat, Mathilde Zeman, definiert, was gar nicht geht: der Lehrer dürfe die Würde und die Sicherheit des Kindes nicht gefährden.
Neue Regeln nötig
Dass es einen Bedarf an neuen Regeln des Zusammenlebens gibt, weil die Arbeit mit Kindern aufgrund des wachsenden Leistungsdrucks der Gesellschaft schwieriger geworden sei, bestätigt aber auch Schulpsychologin Zeman. Bundesschulsprecherin Kolmann jedenfalls würde sich wünschen, dass Lehrer auch unter Belastung als Vorbilder agieren - und sich notfalls Hilfe holen, z.B. aus der Sonderpädagogik.
Gefordert wird von allen Seiten mehr Geld für Schulpsychologen und Sozialarbeiter. Und noch im März wollen sich Eltern-, Lehrer- und Schülervertreter zusammensetzen, um eine gemeinsame Verhaltensvereinbarung zu erarbeiten, die Fairness gegenüber den Schülern genauso sicherstellen soll wie Rechtssicherheit für Lehrer.
Link
ORF.at "Aus für Strafen wie "Winkerlstehen"
Mittagsjournal, 14.03.2012
Sinnlos sind Strafen, die nichts nützen, sagt die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl,