Machtkampf in Pjönjang?

Ratlosigkeit über Zickzack-Kurs Nordkoreas

Ende Februar zeigte sich Nordkorea bereit, sein Atomprogramm und sein Raketenprogramm auf Eis zu legen, als Gegenleistung für Nahrungsmittelhilfe. Doch zwei Wochen später kündigte Nordkorea einen Satellitenstart an. Experten können sich nicht erklären, was in Nordkorea erst zum Einlenken und dann wieder zum alten Konfrontationskurs geführt hat.

Mittagsjournal, 20.3.2012

"Es bleibt ein Geheimnis"

Zuerst Verhandlungen mit den USA zuzustimmen, um sie unmittelbar danach wieder zu torpedieren, entspricht nicht der Logik, der Nordkoreas Außenpolitik folgt. Dazu kommt noch, dass am vergangenen Freitag Inspektoren der Internationalen Atomenergieorganisation nach Nordkorea zur Überprüfung der Atomanlagen eingeladen wurden. Zuletzt hatte die nordkoreanische Führung sie im Jahr 2009 hinausgeworfen. Das klingt nach einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche, sprich international zu zeigen, wie stark man ist.

Mark Fitzpatrick, Abrüstungsexperte des Internationalen Instituts für Strategische Studien mit Sitz in London und Fachmann für Nordkorea, kann sich, wie viele andere, auch keinen Reim darauf machen: "Warum Nordkorea dem Deal mit den USA über Nahrungsmittel-Lieferungen überhaupt zugestimmt hat, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht gibt es Unstimmigkeiten in der Führung, oder es ist ein Mangel an außenpolitischer Erfahrung des neuen Staatschefs Kim Jong Un, es bleibt jedenfalls ein Geheimnis."

Erstes Signal für Zerwürfnis?

Der Teufel liegt natürlich immer im Detail. Nordkoreas Führung braucht dringend Lebensmittel, die Bevölkerung hungert seit langer Zeit, Reformen sind nicht in Sicht, auch nicht mit dem neuen Staatslenker Kim Jong Un. Doch es gilt nach wie vor: das Militär zuerst. Diesem Grundsatz ist alle Politik Nordkoreas untergeordnet. Also will die nordkoreanische Führung Lebensmittel, die dem Militär zu Gute kommen. Doch die USA haben vor allem Nahrung für Babys, Mütter und alte Menschen angeboten - also nichts, was das Militär braucht. In dieser Situation, sagt Mark Fitzpatrick, könnte das erste Mal eine Spaltung der Führung sichtbar geworden sein - und das Militär hätte dann vorerst die Oberhand behalten, indem es einen dringend benötigten Nahrungsmittel-Deal durch einen lange vorbereiteten Raketenstart verhindert: "Bis jetzt haben wir so ein konfuses Verhalten noch nicht gesehen. Das könnte der Anfang eines Zerwürfnisses sein, aber ich zögere, vorauszusagen, dass das Regime zusammenbricht. Nur: es ist das erste Signal, das ich je gesehen habe, dass etwas falsch läuft in Pjöngjang."

Hat Militär wieder Oberhand?

Der Raketenstart war natürlich lange geplant - er soll Mitte April rund um den 100. Geburtstag des verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung stattfinden - er ist der Großvater des jetzigen Herrschers Kim Jong Un. Mit dem Raketenstart - angeblich soll ein Beobachtungssatellit ins All geschossen werden - verstößt Nordkorea gegen UNO-Auflagen. Doch die wahre Provokation liegt darin, den Start als friedlich zu qualifizieren. Denn egal welche Last eine Rakete transportiert - einen Satelliten oder einen Gefechtskopf, auch einen Atomsprengkopf - das Militär kann immer wichtige technische Daten daraus gewinnen. Und darum scheint es auch zu gehen, denn die bisherigen Raketentests von Nordkorea waren nicht sehr erfolgreich. Insofern könnte der Theorie von Mark Fitzpatrick zufolge das Militär derzeit die Nase wieder gegenüber der zivilen Führung von Kim Jong Un vorne haben.