Internetadresse und Motorroller führten zu 24-Jährigem

Toulouse: Polizei belagert Verdächtigen

Der mutmaßliche Serienattentäter von Toulouse will sich angeblich "am Nachmittag" ergeben. Vorerst hält er sich aber nach wie vor schwer bewaffnet in seiner von der Polizei belagerten Wohnung verschanzt. Auf die Spur des Täters kam die Polizei durch kriminalistische Kleinarbeit.

Mittagsjournal, 21.3.2012

Über Internetinserat gefunden

Die Polizei kam dem Serientäter, der mit einem Motorroller vom Tatort floh, am Dienstag unter anderem durch die Internetadresse seines Bruders auf die Spur, wie aus Ermittlerkreisen verlautete. Der Mann tauschte mit seinem ersten Opfer, einem Soldaten nordafrikanischer Abstammung, Mails aus. Der Täter antwortete auf eine Internetanzeige, in welcher der Fallschirmjäger sein Motorrad zum Verkauf anbot.

Letztlich wurde dem Täter auch sein Yamaha-Motorroller T-Max 530 zum Verhängnis. Die Ermittler befragten alle Yamaha-Händler der Region und fanden einen, der von der verdächtigen Nachfrage eines Mannes berichtete. Dieser habe sich erkundigt, wie der Chip aus dem Motorroller entfernt werden könne, mit dem das Fahrzeug bei Diebstahl lokalisiert werden kann.

Bekenneranruf bei Nachrichtensender

In der Nacht überschlugen sich dann die Ereignisse: Gegen ein Uhr nachts soll der Mann die Chefredakteurin des Nachrichtensenders France24 angerufen haben, um sich zu den Angriffen von Toulouse und Montauban zu bekennen. Elf Minuten lang habe der Mann Details seiner Taten geschildert, darunter die Zahl der abgefeuerten Kugeln und den Waffentyp.

Außerdem habe er sich als Mitglied des Terrornetzwerkes Al-Kaida bezeichnet und weitere Taten angekündigt, sagte die Journalistin, die sich sofort an die Polizei wandte. Der Anrufer gab auch an, dass er seine Angriffe gefilmt habe und demnächst veröffentlichen werde.

Schüsse durch die Tür

Gegen 03.00 Uhr in den Morgenstunden des Mittwoch schlug die Polizei-Eliteeinheit Raid dann zu und umstellte das Haus Nummer 17 in der Rue du Sergent Vigne, in dem der 24-Jährige algerischer Abstammung wohnt. Der schwer bewaffnete Mann schoss durch die Tür auf die Polizisten und verletzte zwei leicht.

Motiv Rache

Nachdem Polizisten ebenfalls durch die Tür mit dem mutmaßlichen Täter gesprochen hatten, gab Innenminister Claide Gueant Einzelheiten bekannt: Der Mann habe sich mehrfach in Afghanistan und Pakistan aufgehalten. Er habe sich als Al-Kaida-Mitglied bezeichnet und nach eigenen Angaben mit seinen Angriffen palästinensische Kinder rächen wollen. Am Montag hatte der Serientäter vor der jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Religionslehrer erschossen.

Handy gegen Pistole

Die Polizeibeamten verhandelten stundenlang mit dem 24-Jährigen. Der Mann habe dabei ein "Kommunikationsmittel" verlangt und dafür eine Pistole aus dem Fenster geworfen, sagte Gueant. Er habe aber noch weitere Waffen, darunter eine Kalaschnikow. Dem Innenminister war es bei der Aktion wichtig, dass die Polizei den Täter "lebend" ergreift: "Man muss die Verbindungen klären, die er zu anderen Personen haben könnte." Der mutmaßliche Serien-Attentäter will laut Gueant am Nachmittag aufgeben und sich dann der Polizei stellen.

Appell Sarkozys

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat die Bevölkerung nach den Anschlägen von Toulouse zur Geschlossenheit aufgerufen. "Wir müssen zusammenstehen. Wir dürfen uns weder zur Diskriminierung noch zur Rache verleiten lassen", sagte Sarkozy am Mittwoch in Paris. Er habe sich mit Vertretern der jüdischen und muslimischen Gemeinden getroffen, um zu demonstrieren, dass sich die Nation nicht durch den Terrorismus spalten lasse.

Mittagsjournal, 21.3.2012

Hans Woller berichtet aus Frankreich im Gespräch mit Andrea Maiwald