Gegen "Geldgier" und "wilde Deregulierung"

Juncker über Krise und Moral

Der Sprecher der Euro-Gruppe in der EU, der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker, bekennt sich zum Milliardenaufwand an Steuergeld für den Euro-Rettungsschirm. Verärgert äußert er sich über die moralische Seite der Krise und kritisiert "Geldgier" und "wilde Deregulierung". Bei der Bekämpfung der Krise sieht er die EU aber auf dem richtigen Weg.

Mittagsjournal, 4.4.2012

Jean-Claude Juncker im Gespräch mit Fabio Polly

"Geldgier und wilde Deregulierung"

Die Frage der Gerechtigkeit bei einem Ausmaß von hunderten Milliarden Steuergeld für den Rettungsschirm stelle sich nicht, so Juncker im Ö1 Mittagsjournal, "weil man das tun muss, um eine große Zahl von Menschen vor Unglück zu bewahren." Er verstehe die Wut der Bürger, weil auch er darüber verärgert sei, dass aufgrund des Fehlverhaltens einiger weniger ein Problem für Viele geschaffen wurde. Die moralische Seite der Krise sei darauf zurückzuführen, dass man sich weltweit "von den Kardinaltugenden der sozialen Marktwirtschaft verabschiedet habe", so Juncker. "Diese Geldgier, die plötzlich um sich gegriffen hat, diese wilde Deregulierung, die keinerlei Normen akzeptiert, ist eine Fehlentwicklung." Juncker betrachtet es als seinen Wunsch und seine Aufgabe, danach zu trachten, dass der Finanzsektor wieder stärker reguliert wird "ohne dass man ihn stranguliert".

Sorge um kommende Generationen

Ob Europa die Krise schon überwunden hat, will und kann Juncker nicht sagen, "aber ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg." Auf jeden Fall müssten die öffentlichen Haushalte in Ordnung gebracht werden. Eine andere, tiefere Ursache der Krise ist laut Juncker, dass in manchen Ländern die Löhne nicht mit der Produktivität schritthielten. Das habe zu Wettbewerbsverlusten in Griechenland, Portugal und Irland geführt. In den "etwas tugendhafteren" Ländern Deutschland, Luxemburg und Österreich habe es man mit der Haushaltskonsolidierung zu tun. "Wir sind nicht die letzte Generation, die im Wohlstand leben will", so Juncker. Das sei ein "intergenerationeller Auftrag". Populistischen Gegenstimmen müsse konsequent und energisch widersprochen werden.