Neuer Fall von Behördenwillkür
Unrechtsurteil gegen Bürgerrechtlerin
In Peking sind eine bekannte chinesische Bürgerrechtlerin und ihr Ehemann zu Haftstrafen verurteilt worden. Die frühere Anwältin hatte sich seit Jahren für die Opfer von Zwangsräumungen eingesetzt und wurde wiederholt von den Behörden misshandelt. Die EU hat gegen das Urteil protestiert, vor dem Gerichtsgebäude in Peking kam es zu Zwischenfällen mit Festnahmen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 10.4.2012
Aus Peking berichtet Jörg Winter.
Absurde Begründung
Die Vorwürfe gegen Ni Yulan wirken absurd. Im vergangenen Jahr wurden sie und ihr Ehemann wochenlang gegen ihren Willen von den Behörden in einem Hotel in Peking festgehalten. Die Haftstrafe wird nun unter anderem damit begründet, dass Ni Yulan sich geweigert habe, die Hotelrechnung zu bezahlen und im Hotel angeblich für Aufruhr gesorgt hat.
Prozess bleibt geheim
Zwei Jahre und acht Monate Gefängnis - es ist bereits die dritte Haftstrafe gegen die frühere Anwältin. Diplomaten bezeichnen das Urteil gegenüber dem ORF als heftig angesichts der fragwürdigen Vorwürfe. Vertreter aus zehn Ländern, darunter auch aus Österreich, versuchen vergeblich, der Urteilsverkündung beizuwohnen. Die Polizei riegelt das Gerichtsgebäude ab, mehrere Menschen werden festgenommen und in einem Bus abtransportiert.
Protest gegen Zwangsräumungen
Ni Yulan ist zum Hassobjekt der chinesischen Behörden und der mit ihnen verbündeten Baulöwen geworden, weil sie sich jahrelang für die Opfer von Zwangsräumungen eingesetzt hat - vor allem rund um die olympischen Spiele, als in Peking ganze Stadtteile abgerissen und die Bewohner oft einfach vor die Tür gesetzt wurden. Ni Yulan hat für ihr soziales und politisches Engagement teuer bezahlt. Durch Schläge in der Haft wurde die 51-jährige Aktivistin nach eigenen Angaben so schwer verletzt, dass sie heute gehbehindert ist und meist auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Nervosität vor Führungswechsel
Das Urteil gegen Ni Yulan ist das jüngste in einer Reihe von Urteilen gegen Aktivisten und Dissidenten. Nachdem im vergangenen Jahr im chinesischen Internet zu Protesten nach arabischem Vorbild aufgerufen wurde, hat der Sicherheitsapparat mit einer Verfolgungswelle gegen Andersdenkende reagiert. Chinas Mächtige dulden keinen Widerspruch, schon gar nicht jetzt wenige Monate vor dem geplanten Generationswechsel in Chinas Führung, wo die wichtigsten Machtpositionen in Partei und Staat neu vergeben werden.