Führungskrise nach Lafontaine-Rückzug

Zerreißprobe für Die Linke

Der deutschen Linkspartei droht am Parteitag Anfang Juni ein Schlammschlacht, wenn die nächste Parteispitze gewählt werden soll. Nachdem die kriselnde Partei seit Anfang Mai aus zwei Landtagen geflogen ist, nämlich in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, verschärft sich die Führungskrise.

Mittagsjournal, 25.5.2012

Maria Seifert berichtet aus Berlin.

Bartsch oder Lafontaine

Der ehemalige Parteivorsitzende Oskar Lafontaine hat seine Kandidatur nach großen Streitereien bereits wieder zurückgezogen. Und nun ist es äußerst kompliziert in der deutschen Linkspartei, und die Situation ist verfahren. Allzu viele Richtungen müssen unter einen Hut gebracht werden: Ost und West, linker Flügel und Reformer, Frauen und Männer. Der nun seit Wochen schwelende Führungsstreit lähmt die Partei nicht nur, sie stellt sie vor eine große Zerreißprobe. Eskaliert war der Konflikt, als der Saarländer Oskar Lafontaine seine Kandidatur bekannt gab - unter der Voraussetzung, dass Dietmar Bartsch, der Pragmatiker aus dem Osten, seine Kandidatur zurückzieht. Der aber denkt nicht dran: Die Linke befinde sich in einer schweren Krise, aus der sie hinaus müsse. Und er wolle seinen Beitrag leisten, "damit wir das hinkriegen", so Bartsch.

Überraschender Rückzieher

Am Dienstag dann macht der frühere Parteivorsitzende Lafontaine überraschend einen Rückzieher - sehr zum Bedauern von Parteichef Klaus Ernst: "Wir verlieren damit unseren besten Wahlkämpfer", so Ernst. Anders der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Gregor Gysi - der lange als unzertrennlich mit Lafontaine galt - er schlägt sich jetzt auf die Seite von Bartsch.

Dass Bartsch die Partei aus der Krise führen könnte - das bezweifeln vor allem die Westlinken - wie der stellvertretende Fraktionschef Ulrich Maurer: Bartsch könne die Partei nicht zusammenführen, weil er Teil der Grabenkämpfe sei.

Immerhin ist man sich innerhalb der Partei einig, dass der Graben zwischen den Flügeln sehr tief ist - Petra Pau: "Der neue Vorstand muss die Partei als Ökumene begreifen."

Zwei Frauen als Ausweg?

Den Streit schlichten zu können, erhofft sich eine weibliche Doppelkandidatur Katja Kipping, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Katharina Schwabedissen, die in Nordrheinwestfalen mit der Linken gerade aus dem Landtag geflogen ist. Unterdessen wird der Ruf nach Sarah Wagenknecht immer lauter - die charismatische frühere Wortführerin der kommunistischen Plattform innerhalb der Partei und oft als Hoffnungsträgerin der Linken bezeichnete Lebensgefährtin von Oskar Lafontaine hält sich bedeckt. Sie finde die Vorstellung einer weiblichen Doppelspitze "charmant".

Dies schließt aber ihre eigene Kandidatur am Parteitag Anfang Juni nicht aus. Dass es mit der neuen Führung allerdings wieder aufwärts gehen könnte, das bezweifeln viele in Deutschland - und manche bezeichnen den derzeit stattfindenden Machtkampf bereits als letztes Aufbäumen der Linkspartei.