Le Pen liegt bei 15 Prozent
Linker Sieg bei Parlamentswahl erwartet
Frankreich wählt nach dem Präsidenten ein neues Parlament. Die 577 Abgeordneten der Nationalversammlung für die kommenden fünf Jahre werden in zwei Durchgängen ermittelt. Meinungsumfragen sagen der Linken nur einen knappen und keinen überwältigenden Sieg voraus.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 9.6.2012
Aus Paris,
Einer der 577 Wahlkreise erweckt dabei seit Wochen in ganz Frankreich ein besonderes Interesse. Es ist der Wahlkreis rund um die Stadt Henin – Beaumont im früheren nordfranzösischen Bergbaurevier, wo zwei ehemalige Präsidentschaftskandidaten der Extreme aufeinandertreffen: Marine Le Pen, die Chefin der Nationalen Front und Jean Luc Melenchon, Chef der Linksfront. Der 61-jährige ehemalige Sozialist fordert die 43-jährige Gallionsfigur der Extremen Rechten in ihrer nordfranzösischen Hochburg heraus.
Melenchon setzt auf Immigranten
Seit Wochen tobt der Kampf beim Kleben der Wahlplakate – mehrmals am Tag löst, unter Flüchen und Schimpfwörtern der gegnerischen Kommandos an strategisch wichtigen Orten, das Konterfei von Marine Le Pen das von Melenchon ab und umgekehrt.
In der 30.000 Einwohnerstadt, in einer Region, wo einst französische Arbeiterschichte geschrieben wurde , hatte Marine Le Pen vor 5 Jahren – unter für die Nationale Front ungünstigen Bedingungen – in der Stichwahl beachtliche 42 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Zu verhindern, dass sie diesmal den Sprung in die Nationalversammlung schafft, hat sich der Volkstribun Melenchon zum Ziel gesetzt: „Welches ist denn das erste Problem, das sich stellt. Sind das die Immigranten oder ist es der Bankier. Für uns ist es der Bankier, für die anderen der Einwanderer. Sind es aber vielleicht die Einwanderer, die die Fabriken zusperren?“
Le Pen auf Stimmenfang
Wenn Martine Le Pen auf der Straße Flugblätter verteilt, hupt ein Cabrio mit offenem Dach für Melenchon. Ob sie das Auto im Lotto gewonnen oder dafür gearbeitet hätten, ruft Le Pen den jungen Insassen zu, um dann zu monieren: jedes Mal wenn jemand rufe, es lebe Melenchon, handle es sich um Franzosen nordafrikanischer Herkunft.
"Jagen Rechtsextreme davon"
Melenchon sieht seine Kandidatur als einen Akt des Widerstands gegen das Zulegen der Extremen Rechten in Frankreichs ehemaligen, heute darniederliegenden Industrieregionen mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit, sieht sich «eine Schlacht von homerischer Größe schlagen», wie er sagte, wobei die Wortwahl auch mal grobschlächtig ausfallen kann: "Von nun an werden nicht wir an der Wand entlangschleichen, sondern sie, die Rechtsextremen. Wir werden sie davonjagen, nachdem wir sie zuvor politisch ausradiert haben werden."
Gefälschte Werbezettel verteilt
Melenchon schaffe ein Klima des Terrors, klagt die Nationale Front, die ihrerseits gefälschte Werbezettel mit Melenchons Konterfei verteilen ließ, auf denen er für Immigration und Islam wirbt. Und Marine Le Pen kontert: "Wer ist denn dieser Herr Melenchon, dieser Pseudorevolutionär aus den Pariser Salons, ungehobelt, hasserfüllt, revanchistisch und gewaltbereit."
Stichwahl in einer Woche
Melenchon, der bei den Präsidentschaftswahlen über zwei Millionen Stimmen weniger als Marine Le Pen bekommen hatte, sucht in den endlosen Reihenhauszeilen aus rotem Backstein des französischen Nordens so etwas wie eine Revanche, setzt darauf, am Sonntag vor dem Kandidaten der Sozialistischen Partei zu landen, die in Frankreichs Norden durch Filz und Vetternwirtschaft angeschlagen ist und am Sonntag darauf bei der Stichwahl die Nase vor Le Pen zu haben - mit 52 oder 51 Prozent, so die Umfragen.