Antrittsrede als Appell

Hollande ist neuer Präsident Frankreichs

Frankreich hat einen neuen Präsidenten, den siebenten in der Geschichte der fünften französischen Republik. Neun Tage nach seinem Sieg in der Stichwahl hat der Sozialist Francois Hollande am Vormittag das Amt von seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy übernommen.

Mittagsjournal, 15.5.2012

Aus Paris berichtet

Mit allen Kräften an einer Lösung

Hollande begann sein Amt mit einem Appell an seine Landsleute zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung. Bei der Zeremonie im Élysée-Palast in Paris sagte der Sozialist am Dienstag, er könne "die Last der Zwänge" ermessen, denen Frankreich ausgesetzt sei: "Eine massive Verschuldung, ein schwaches Wachstum, eine hohe Arbeitslosigkeit, eine verringerte Wettbewerbsfähigkeit, ein Europa, das kaum aus der Krise kommt". All dies sei aber kein unabwendbares "Verhängnis", so lange alle zusammen mit allen Kräften an einer Lösung arbeiteten und die Richtung klar festgelegt sei.

Der neue französische Präsident will seinen europäischen Partnern einen Pakt vorschlagen, der den Schuldenabbau mit der Wachstumsförderung verbindet. Um die Krise in Europa zu überwinden, brauche Europa Projekte, Solidarität und Wachstum, sagte Hollande. Neben dem "notwendigen Schuldenabbau" müsse es auch eine "Ankurbelung des Wachstums" geben.

Arbeitsplätze statt "kurzfristiger Profite"

Hollande hob in seiner Ansprache hervor, dass er sein Amt mit "Würde" und "Schlichtheit" ausüben wolle. Der Staat werde "unparteiisch" sein. Bei allen Entscheidungen soll die Frage gestellt werden, ob dies "gerecht" sei. Er nannte unter anderem Arbeitsplätze statt "kurzfristiger Profite" als Ziel. Frankreich brauche den Ausgleich, "Beruhigung", "Versöhnung" und "Zusammenhalt", sagte Hollande. Er wolle sich auch gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung einsetzen.

Traditionelle Zeremonie

Davor führte Hollande ein knapp halbstündiges Vieraugengespräch mit Sarkozy, der ihm den Atom-Code für die Aktivierung der französischen Nuklear-Sprengkörper aushändigte. Nach der Verabschiedung Sarkozys wurde Hollande offiziell in sein Amt eingeführt. Die französische Verfassung sieht keinen Eid des Präsidenten auf die Verfassung oder ein Amtsgelöbnis vor. Höhepunkt der Zeremonie war die feierliche Übergabe der Insignien des Großmeisters des Ordens der Ehrenlegion. Anschließend fuhr Hollande über den Prachtboulevard Champs-Élysées zum Triumphbogen.

Regierungschefernennung und Staatsbesuch

Am Nachmittag soll Hollande den neuen Premierminister ernennen. Nach Angaben eines sehr engen Vertrauten des neuen Präsidenten wird der langjährige Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault, neuer Premierminister.

Hollande fliegt am späteren Nachmittag nach Berlin, wo er mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel über den europäischen Fiskalpakt und seine Forderung nach mehr Wachstumsimpulsen sprechen wird. Vor einem gemeinsamen Abendessen werden beide am Abend vor die Presse treten. Hollande fliegt noch am Abend zurück nach Paris.

Mittagsjournal, 15.5.2012

Eva Twaroch in Paris analysiert im Gespräch mit Christian Williwald