Rio: Slums, die keine mehr sind
Brasilien selbst hat seit dem ersten Erdgipfel in Rio 1992 einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, Millionen Brasilianer haben den Aufstieg aus der Armut geschafft, wie sich bei einem Rundgang in den Favelas, den Armensiedlungen von Rio zeigt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.6.2012
Aus Rio,
Einiges besser geworden
Laut und schmutzig ist Rocinha, Lateinamerikas größte Armensiedlung in Rio. 300,000 Menschen leben in unverputzten Häusern, verbunden durch zusammengeflickte Stromkabel, in Mitten von Müll und Abwasser. Ihr selbst-erklärter Botschafter ist der halb-Amerikaner Zezhino, er hat sich das Bild der Favela auf Arme und Beine tätowieren lassen, er ist hier Fremdenführer: die Mehrheit der Leute hier sind Arbeiter, Busfahrer, Putzfrauen, Supermarktverkäuferinnen, Menschen die wenig Geld verdienen. Hier sind nicht nur Diebe und Drogendealer. In den letzten Jahren ist auch vieles besser geworden, die Häuser, Elektrizität.
Investieren in Bildung und Gesundheit
Der frühere Präsident Lula da Silva wird hier verehrt, weil er ein Sozialprogramm eingeführt hat, namens Bolsa Familia, wonach Familien Geld bekommen, wenn sie ihre Kinder in die Schule schicken und impfen lassen: alles ist besser geworden, sagt Zezinhos Freundin Nila. Wir haben genug Geld für gutes Essen, Schuhe, Kleidung. Die Favela ist auch sicherer geworden. Meine Kinder und Enkelkinder haben es besser als wir, sie haben eine bessere Bildung.
Nilas Familie ist also nicht mehr wirklich arm, in ihrem Haushalt gibt es einen Fernseher und einen Kühlschrank, aber die meisten Menschen hier leben im Schnitt von umgerechnet 300 Euro im Monat.
Aufschwung auf Kosten der Umwelt
Vor zwanzig Jahren beim ersten Erdgipfel der UNO war alles viel schlimmer, Brasilien war hoch verschuldet, sagt der Politikwissenschafter Nelson Franco Jobim: Vor allem die Nachfrage nach Rohstoffen hat uns den Aufschwung gebracht, Soja, Kaffee, Eisenerz, Fleisch. Aber der frühere Präsident Lula hat auch auf Umverteilung gesetzt und so Millionen Menschen aus der Armut geholfen: Der Wirtschaftsboom der letzten Jahre geht aber auf Kosten der Umwelt, sagt Jobim. Die Politiker im Norden sehen im Regenwald ein wirtschaftlich unterentwickeltes Gebiet und holzen ihn ab, aber wir müssen lernen, wie wir davon profitieren den Wald zu erhalten. Brasilien steckt in einer Falle, sagt Jobim.
Neue Mittelschicht
Brasilien verkauft seine Rohstoffe, vor allem an China, im Gegenzug importiert Brasilien chinesische Waren, dabei hat Brasilien die eigene Industrie vernachlässigt, deshalb kann der Aufschwung nicht halten. Das größte Risiko für Brasilien ist, dass die neue Mittelschicht stecken bleibt und nicht weiter kommt, wir müssen dringend unsere Industrie weiterentwickeln.
Die neue Mittelschicht zeigt sich besonders in Rios Armenviertel Vidigal. Dort hat der Oberösterreicher Andreas Wielend vor zwei Jahren eine Baracke ohne Strom und Wasser gekauft und daraus eine beliebte Jugendherberge gemacht. Von seiner Terrasse hat man einen atemberaubenden Blick auf den Strand von Ipanema. Die gute Lage lockt Investoren, sagt Wielend. Gleich hinter Wielends Haus soll ein 5-Sterne Hotel entstehen. Ob die neue Mittelschicht Brasiliens aber wirklich so schnell aufsteigt, steht noch in den Sternen.
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