Nowotny verteidigt Bankenhilfe
Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, verteidigt die neuerliche Milliarden-Hilfe für das Bankensystem. Man rette damit die Volkswirtschaft, so Nowotny im Ö1 Interview "Im Journal zu Gast". Außerdem begrüßt Nowotny die Einigung auf eine Finanztransaktionssteuer in bestimmten EU-Ländern. Er regt an, vor allem kurzfristige Finanzgeschäfte zu besteuern.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.6.2012
Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny "Im Journal zu Gast" bei Michael Csoklich.
Finanztransaktionssteuer "vernünftig"
Als "vernünftig" bezeichnet Nowotny die Einigung der EU-Finanzminister, die Finanztransaktionssteuer nicht EU-weit, sondern in bestimmten Ländern einzuführen. Denn es wäre sinnlos gewesen, auf eine Einigung aller zu warten, wo doch die britischen Interessen mit dem Bankenzentrum London klar dagegen stehen. An eine regulierende Wirkung der Finanztransaktionssteuer glaubt Nowotny eher nicht, dazu müsste man eher entsprechende Gesetze machen. Als "sinnvolles" Modell für eine solche Steuer schlägt der OeNB-Chef vor, dass langfristige Transaktionen de facto nicht belastet, kurzfristige und damit spekulativere stärker belastet werden.
Von allen Maßnahmen insgesamt erwartet Nowotny eine deutliche Stabilisierung der europäischen Wirtschaft. Die Zweifel von IWF-Chefin Christine Lagarde an der Lebensfähigkeit des Euro weist Nowotny zurück: Das sei eine unzulässige Vereinfachung. Es gebe Probleme in einzelnen Ländern, aber der Euro als Währung funktioniere. Man müsse als Krisenfeuerwehr Maßnahmen setzen, diese Probleme zu lösen. Darüber hinaus gehe es aber langfristig um "Brandverhinderung" mittels Fiskalpakt, Bankenregulierung und Rettungsschirmen.
"Wir retten die Volkswirtschaft"
Nowotny verteidigt die milliardenschwere Hilfe für die Banken: "Das ist eine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre: Ein Zusammenbruch des Bankensystems hat massive Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Es ist nicht so, dass wir die Banken retten, sondern wir retten die Volkswirtschaft." Man müsse aber auch Forderungen nach Konsequenzen ernst nehmen, und da sei vielleicht noch zu wenig geschehen, so Nowotny.
Um die Finanzmärkte zu beruhigen und Vertrauen zu schaffen, müsse es klare, nachvollziehbare Zeitpläne geben. Außerdem müsse eine Weiterentwicklung zu einer politischen Union, zumindest in Wirtschaftsfragen, auch von der Bevölkerung so gewollt und verstanden werden. Daher sei es mindestens so wichtig wie Verhandlungen, der Bevölkerung klar zu machen: "Das ist unsere gemeinsame Zukunft." Dazu gehöre auch etwa ein EU-Kommissar, der konkreten Einfluss auf nationale Budgets nehmen kann. In der Wettbewerbspolitik gebe es das bereits und das sollte auf die Finanzpolitik übertragen werden, regt Nowotny an. Die Alternative wäre eine Zersplitterung Europas, ein Machtverlust und in der Folge ein Verlust an Lebensqualität, Wohlstand und Freiheit.
Spanien und Griechenland
Was die Bewertung der spanischen Bankenhilfe im Ausmaß von 62 Milliarden Euro betrifft, bleibt Nowotny wie gewohnt zurückhaltend. So will er nicht einschätzen, ob diese Summe tatsächlich ausreicht und verweist auf die Prüfung durch zwei externe Bewertungsagenturen: "Ich nehme an, die haben ihre Arbeit schon gut gemacht."
Zum Thema Griechenland: Die ökonomischen Grundprobleme Griechenlands hätten sich durch die Wahl nicht geändert. Ob die Sparvorgaben gelockert werden sollten, will Nowotny nicht beantworten. Es gehe um das Ziel, die griechische Wirtschaft wieder eigenständig zu machen, und darum, dieses Ziel am besten zu erreichen.
Gegen überzogene Gipfelerwartungen
Eine gewisse Kritik übt Nowotny an der Organisation der Hilfsbemühungen: Während es am Anfang der Krise klare gemeinsame Aktionen gegeben habe, die auch gewirkt hätten, sei das jetzt in der zweiten Phase, wo es differenzierte Probleme gebe, nicht der Fall. Daher habe man auf der Ebene der EU beschlossen, dass vier führende Politiker bis Ende Juni ein Leitlinienpapier für eine politische Union, eine Finanzunion und eine Bankenunion entwickeln sollen. Nowotny erwartet, dass man an diesen Leitlinien dann die Einzelprobleme "aufhängen" kann. Vor dem kommenden EU-Gipfel warnt der OeNB-Chef vor überzogenen, unrealistischen Erwartungen: Dass man die längerfristige Strukturierung der europäischen Finanzwirtschaft nicht bei einem zweitägigen Gipfel lösen könne, "ist doch jedem klar."