Mohammed Mursi: "Brüder einer Nation"

Achtzig Jahre nach ihrer Gründung stellen die Muslimbrüder zum ersten Mal das Staatsoberhaupt in Ägypten. Mohammed Mursi ist ein Islamist. Das löst nicht nur im Land selbst Ängste aus, sondern auch im Ausland: Wer ist der Mann, der jetzt Ägypten führen soll? Was sind seine Vorstellungen?

Morgenjournal, 25.6.2012

"Keine alten Rechnungen begleichen"

Mohammed Mursi hat einen kurzen Bart, trägt eine altmodische Brille, er wirkt unscheinbar, aber seine Stimme ist laut. Er brüllt sogar ins Mikrofon, wenn er sich versöhnlich und staatsmännisch zeigen will. "Wir werden keine alten Rechnungen begleichen. Wir sind alle Brüder einer Nation, mit den gleichen Rechten und Pflichten."

Mursi wurde 1951 als Sohn eines Bauern im Niltal geboren. Er studierte zuerst in Kairo, danach in Kalifornien. Er ist sunnitischer Muslim, verheiratet und Vater von 5 Kindern. Zwei von ihnen haben durch ihre Geburt in den USA die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Ersatzmann

Mit einer großen Karriere hat der heute 60-Jährige wahrscheinlich nie gerechnet. Für die Muslimbrüder war er eigentlich nur eine Art Ersatzmann, der erst ins Rennen kam, als ein anderer Anführer mit wesentlich mehr Charisma nicht zur Präsidentenwahl antreten durfte.

Aber auch Mohammed Mursi steht auch für eine islamsche Renaissance in Ägypten, für die Einführung der Scharia – ein Alptraum für viele Liberale und Christen. Zumindest in der Endphase des Wahlkampfes versuchte Mursi aber, nicht als Glaubensfanatiker zu erscheinen: "Man behauptet, ich wolle Frauen zwingen, Kopftuch zu tragen. Ist das ein islamisches Gesetz? Nein, Gott hat den Menschen die Wahl gelassen, an ihn zu glauben oder nicht."

Eingeschränkte Macht

In Sachen Außenpolitik wolle er gute Beziehungen zu anderen Staaten pflegen, "die von gegenseitigem Respekt geprägt sind. Einmischungen von außen aber, werden wir künftig nicht mehr dulden."

Das sind moderate, aber doch sehr energische Töne. Dabei kann Mohammed Mursi von der umfassenden Macht seines Vorgängers Hosni Mubarak nur träumen. Dafür hat schon das Militär gesorgt.