Medientransparenz: Schlupflöcher bleiben
Millionenschwere Werbeetats waren vor mehr als zwei Jahren der Anstoß für eine Debatte über neue Regeln bei Inseraten der öffentlichen Hand. Die Causa liegt jetzt bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Ein weiteres Gutachten wird im Sommer erwartet. Bereits am Sonntag tritt aber das neue Medientransparenzgesetz in Kraft, das die Inseratenvergabe neu regelt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 30.6.2012
Kampagnen künftig nicht breiter gestreut
Das neue Medientransparenzgesetz hat viele Architekten; zum einen die Verlagshäuser. Sie wollten den Werbekuchen gerechter unter sich aufteilen. Der Werbeetat der öffentlichen Hand habe eine wettbewerbsverzerrende Größe erreicht, stellte Verbandspräsident Gerald Grünberger fest und kritisierte wiederholt und öffentlich die Bevorzugung einzelner Medien. Konkret hat er "heute", "Österreich" und die "Krone" gemeint.
Kampagnen werden wohl künftig auch nicht breit gestreut, befürchtet Rechtsanwalt Gerald Otto. Er hat für einen Kunden das neue Medientransparenzgesetz analysiert: "Eine Streuung der Werbeaufträge wird durch das Gesetz keinesfalls bewirkt. Das wäre vielleicht möglich, indem man die Presseförderung deutlich erhöht und nach bestimmten Kriterien vergibt."
Werbekunden müssen an Medienbehörde melden
Mitgebaut haben auch die politischen Parteien. Der Werbeauftritt von Ministern, Landeshauptleuten oder staatlichen und staatsnahen Unternehmen ist nicht mehr frei gestaltbar. Vermieden werden soll, dass sich ein Politiker mit Steuergeld selbst bewirbt anstatt Serviceinformationen über Neuerungen zu bieten: "Diese sogenannte Kopfwerbung, die primär der eigenen Vermarktung oder der Vermarktung der eigenen Partei dient, ist nicht mehr zulässig, sondern es ist sicherzustellen, dass eine eindeutige Unterscheidbarkeit von redaktionellen Beiträgen vorhanden ist."
Am meisten ändert sich für die Werbekunden, sagt Gerald Otto. Mehr als 5.000 Namen finden sich auf einer Liste des Rechnungshofes. Jeder, der da drauf steht, muss der Medienbehörde alle drei Monate melden, für wie viel Geld sie wo Werbung gebucht haben: "Betroffene Unternehmen müssen dokumentieren, für welche Medien sie welche Aufträge in welcher Höhe vergeben haben."
Strafmaß im Verhältnis gering
Für die Kontrolle des Gesetzes sind die Medienbehörde und der Rechnungshof zuständig. Auch wenn Verwaltungsstrafen drohen, das höchste Strafmaß von 60.000 Euro steht in Relation zu einem Millionenetat. Politikern, die sich doch mit Foto selbst bewerben, droht zwar keine Geldstrafe, sagt Otto, aber "wahrscheinlich die politischen Mitbewerber".
Das Medientransparenzgesetz nützt also "dem interessierten Bürger, nachvollziehen zu können, ob die Berichterstattung vielleicht beeinflusst wurde"
und schadet "der Werbewirtschaft, weil sie einen erheblichen administrativen Aufwand hat". Das Geschäft wird sich verlagern, glaubt Otto. Profitieren könnten Medien, die nicht vom Gesetz erfasst sind, also Plakatwerbung, Litfaßsäulen und Kinos.