Finanzminister: Kroatien nicht EU-reif
In einem Jahr soll Kroatien der EU beitreten. Damit öffnet sich für Kroatien zwar ein gemeinsamer Markt, andererseits muss das Land sich auch im gemeinsamen Wettbewerb behaupten. Und darauf sei Kroatiens Wirtschaft nicht ausreichend vorbereitet, sagt ausgerechnet der kroatische Finanzminister Slavko Linic. Für die nötigen Reformen bleibe immer weniger Zeit.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 13.7.2012
Druck der leeren Kassen
Seit Dezember ist in Kroatien eine Mitte-Links-Regierung im Amt. Sie hat eine schwere Erblast zu tragen. Knapp ein Jahr vor dem EU-Beitritt steckt Kroatien in einer tiefen Wirtschaftskrise. So erwarten Experten für heuer einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent, gleichzeitig hat Kroatien nach Spanien die höchste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, eine schlechte Steuerdisziplin und eine überschuldete Wirtschaft.
Die erste große Herausforderung, die der 63-jährige Finanzminister Slavko Linic zu meistern hatte, bestand in der Eindämmung des Budgetdefizits. Ohne strikten Sparkurs droht Kroatien eine Herabstufung durch Ratingagenturen de facto auf Ramschstatus, und das wäre ein massiver Schlag für weitere Reformen. Unter dem Diktat der leeren Kassen gelang es Linic, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes zum Verzicht auf Weihnachtsgeld und Zahlungen für Überstunden zu bewegen; nächstes Jahr sollen Fahrtkostenzuschüsse gestrichen und das Urlaubsgeld gekürzt werden.
Kampf gegen Überschuldung
Ein anderes Problem ist die mangelnde Liquidität der Unternehmen, deren Verschuldung auf fast sechs Milliarden Euro geschätzt wird. Die Folge ist nicht nur eine schlechte Zahlungsmoral der Wirtschaft und des Staates, sondern eine Lähmung der Wirtschaft, die Slavko Linic so bekämpfen will: "Die Finanzämter und das Finanzministerium sind als Vermittler zwischen Schuldner und Gläubiger vorgesehen, um eine Vereinbarung zu erzielen. Sie muss bewirken, dass sich die Kreditverpflichtungen verringern oder dass Kredite in Beteiligungen am Unternehmen umgewandelt werden oder dass versucht wird, diese Schulden durch irgendeine Form von Eigentum zu begleichen. So soll versucht werden, dass der Schuldner wieder fähig wird, geschäftlich tätig zu sein. Wenn alles nicht gelingt, dann kommt es zum Konkursverfahren bei Gericht."
Wirtschaft nicht vorbereitet
Mit dem EU-Beitritt im Juli nächsten Jahres wird sich der Konkurrenzdruck auf die kroatische Wirtschaft weiter erhöhen. Ihren Zustand beschreibt Slavko Linic so: "Seien wir ehrlich: Die Wirtschaft ist nicht ausreichend auf die EU vorbereitet. Grund dafür ist, dass sie steuerlich zu sehr belastet und durch die Krise ausgezehrt und nicht ausreichend liquide ist. Man kann aber auch sagen, dass sich die Wirtschaft nicht ausreichend auf die neuen Märkte vorbereitet hat, weil sie nicht konkurrenzfähig ist; doch dann sind die Chancen gering, Exporte dorthin zu erhöhen. Daher versucht die Regierung, die Wirtschaft steuerlich zu entlasten, um die Konkurrenzfähigkeit zu steigern. Zweitens geht es darum, dass der Staat eine kompetente Verwaltung haben muss, um die EU-Fonds für die Reformen effizient nutzen zu können. So müssen wir wichtige Änderungen auf beiden Gebieten durchführen, doch uns bleibt immer weniger Zeit."
Noch viel Reformbedarf
Bisher sind Verwaltung und Wirtschaft jedenfalls nur eingeschränkt fähig, die EU-Fonds zu nutzen, obwohl Brüssel bereit ist, bis zu 85 Prozent an gemeinsamen Projekten zu finanzieren. Hinzu kommt, dass Verwaltung und öffentlichen Betriebe von der E-Wirtschaft bis zu den Bundesforsten noch nicht reformiert sind, in denen nach einer Schätzung von Slavko Linic binnen drei Jahren bis zu 15.000 Beschäftigte abgebaut werden müssen. Bis zum EU-Beitritt und auch danach stehen Kroatien somit noch viele schmerzliche Reformen bevor.