Syrienkrieg: Türkei fürchtet Kurdenstaat

Die Kurden unterstützen weder das Assad-Regime, noch die Aufständischen. Aber sie streben danach, ein Gebiet im Norden des Landes selbst zu verwalten. Das alarmiert die Regierung in der Türkei, die nichts mehr fürchtet als ein Gebiet, aus dem ein eigener kurdischer Staat werden könnte.

Mittagsjournal, 25. 7. 2012

Angst vor PKK

Kurdische Flaggen, die über syrischen Städten wehen, und das nahe der türkischen Grenze – das kommt aus der Sicht vieler Türken einem Alptraum gleich. Denn ´kurdisch‘ wird von vielen mit der PKK gleich gesetzt, die gegen die Türkei seit Jahrzehnten Krieg führt.

Sollte die PKK also das Machtvakuum nützen, das Assads zurückweichende Soldaten hinterlassen, dann hätte die Türkei, wie manche Kommentatoren meinen, bald eine 1.200 Kilometer lange Front.

Fernsehbericht schürt Ängste

Ein kurzer Fernsehbericht hat diesen Ängsten Auftrieb gegeben. Er zeigt hunderte
syrische Kurden, die in Kampfanzügen, aber ohne Waffen, zu Fuß die Grenze zwischen dem Irak und Syrien überqueren. Die Szene scheint irgendwie gestellt. Warum die durchtrainierten jungen Männer zwar wie Soldaten marschieren, aber keine Gewehre haben und woher sie genau stammen, bleibt unklar.

Doch offenbar können kurdische Kämpfer sich zwischen dem Irak und Syrien jetzt ungehindert bewegen. Vor allem seit Assads Truppen mehrere
Städte im Norden kampflos aufgegeben haben.

Syrisches Kurdistan

Dass im Norden Syriens gerade so etwas wie ein syrisches Kurdistan entsteht, darin sind sich alle Beobachter in der Türkei einig. Aber ob die PKK und ihre syrischen Verbündeten dort das Sagen haben werden, oder ob gemäßigtere kurdische Parteien sich durchsetzen, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Kurdische Deserteure

Die PKK, von der Türkei, der EU und den USA als ‚terroristische Organisation‘ eingestuft, hatte zum syrischen Präsidenten Assad immer guten Kontakt, und viel ist darüber spekuliert worden, ob Assad die PKK benützen werde, um sich an der Türkei zu rächen. Doch nun ist bei densyrischen Kurden eine neue militärische Kraft entstanden: Kurdische Soldaten der Assad-Armee, die in den letzten Wochen und Monaten desertiert sind, sich aber nicht der so genannten ‚Freien Syrischen Armee‘ anschließen wollen, sondern ihre eigenen Ziele haben.

Ziel: Unabhängigkeit innerhalb Syriens

Wie der Großteil der Kurden in Syrien wollen sie nach dem Ende des Assad-Regimes nicht von arabischen Islamisten beherrscht werden. Nach dem Vorbild der irakischen Kurden streben sie eine Unabhängigkeit innerhalb Syriens an.

Wohin sich dieses neue politische Gebilde entwickeln wird, dabei würden aber wohl auch die Großmächte mitreden, glaubt man in Ankara.

Interessen des Westens

Über den kurdischen Norden Syriens bekäme
das ölreiche irakische Kurdistan einen Zugang zum Mittelmeer. Das, so wird hier spekuliert, könnte für den Westen durchaus interessant werden.

Für die Türkei bleibt die Frage, ob das Ende Assads nicht eine unkontrollierbare Dynamik in
Gang gesetzt hat, die nun auch die türkische Kurden-Politik unter Zugzwang bringt.

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