Plädoyers im Pussy-Riot-Prozess

Im Prozess gegen die drei Mitglieder der regierungskritischen russischen Punkband Pussy Riot hat die Staatsanwaltschaft jeweils drei Jahre Haft gefordert. Die drei Frauen seien des "Rowdytums" und der "Anstachelung zu religiösem Hass" schuldig, erklärte der Staatsanwalt. Ursprünglich hatte den Frauen bis zu sieben Jahre Haft gedroht, vergangene Woche sprach sich aber Präsident Wladimir Putin für ein mildes Urteil aus.

Mittagsjournal, 7.8.2012

Kamerateams, Journalisten, Demonstranten

Applaus brandet auf, wenn die drei Angeklagten in der Früh in Handschellen von der Polizei zum Gericht geführt werden, vermischt mit den Rufen: Svoboda - Freiheit. Vor dem Eingang des Chamovnitscheskier Bezirksgerichtes im Zentrum Moskaus warten an jedem Prozesstag ein gutes Dutzend Kamerateams, viele Journalisten, einige wenige Demonstranten mit Plakaten. Die Gegend um das Gericht, ein mehrstöckiges etwas heruntergekommenes Gebäude, ist großräumig von der Polizei abgesperrt. In den Verhandlungspausen treten immer wieder Anwälte oder Angehörige vor die Presse, etwa Stanislav Sumtsevich, der Vater einer der Angeklagten - ein älterer Herr mit dicker Brille, den die letzten Monate sichtlich mitgenommen haben: "Die ganze Art, in der der Prozess und die Verteidigung organisiert wurde, die Kampagne gegen die moralische Position der Angeklagten - das ist ein Vorwand, um ein hartes Urteil zu rechtfertigen. Ich fürchte, dass sie zu vielen Jahren im Gefängnis verurteilt werden."

Objektives Gericht?

In den Gerichtsaal selbst vorzudringen ist fast unmöglich. In dem Raum ist Platz für nur knapp 20 Zuhörer, auf der Stiege davor steht immer eine lange Schlange. Und die Polizisten mit Hunden, die den Zugang bewachen, tun ihr Möglichstes, um den Zugang eher zu erschweren als zu ordnen. Hier stehen vor allem Journalisten und Mitarbeiter von ausländischen Botschaften, die versuchen sich ein Bild vom Prozess zu machen. "Schauprozess", murmelt eine Diplomatin beim Verlassen des Saales, zu einem Interview ist sie nicht bereit. Die Richterin hätte die Anwälte kein einziges Mal angesehen, erzählen die, die es bis in den Verhandlungssaal geschafft haben, sie unterbreche die Verteidigung willkürlich, die meisten Anträge würden ohne Angabe von Gründen abgelehnt, erzählt etwa die britische Parlamentsabgeordnete Kerry McCarthy: "Ich finde es merkwürdig, dass die Verteidigung nur zwei eigene Zeugen aufrufen durfte und dass sie die Sachverständigen der Anklage nicht befragen durften. Ich wäre überrascht, wenn die Richterin sie freisprechen würde, sagen wir so."

"Es gibt keine Gerechtigkeit"

Das wäre wirklich eine Überraschung: Laut Medienberichten gab es in der Karriere von Richterin Marina Syrova erst einen einzigen Freispruch - im russischen Justizsystem ist es üblich, dass die Richter fast vollständig der Argumentation der Staatsanwaltschaft folgen. Auch die letzte Ankündigung Wladimir Putins, die Strafe solle nicht zu hart ausfallen, habe am Verfahren nichts geändert sagt Anwalt Mark Feigin: "Es geht ihnen nur darum, unsere Mandanten so schnell wie möglich zu verurteilen und in die Strafkolonie zu schicken. Das ist kein Gericht, es gibt keine Gerechtigkeit, nur die schnelle Erfüllung von Anordnungen der Obrigkeit."
Die Beweisaufnahme ist gestern spät am Abend abgeschlossen worden, heute soll der Prozess mit den Plädoyers fortgesetzt werden - ein Urteil im Verfahren gegen die drei jungen Frauen von Pussy Riot wird bereits für Ende der Woche erwartet.