Niederlande: Radikale Linke voran

In knapp einem Monat, am zwölften September, wählen die Niederländer ein neues Parlament. Und in allen Umfragen der letzten Wochen führt die linkssozialistische Opposition klar vor den regierenden Liberalen. Eine Regierungsmehrheit der Linken würde auch in der Eurozone die Kräfteverhältnisse verschieben.

Morgenjournal, 16.8.2012

Gegen soziale Kürzungen

Er ist der Linke, der meist ganz konservativ daher kommt: Die Niederlande müssen bleiben, was sie sind oder wieder werden, was sie waren, schwingt in allen Reden von Emile Roemer, dem Parteichef der linken PS, mit. Keine Kürzungen im Sozialsystem, kein höheres Pensionsalter: „Von Menschen, denen es finanziell ohnehin schon schlecht geht, noch mehr zu verlangen - es ist ein Skandal, das überhaupt vorzuschlagen“.

Es sind aber nicht nur die populären Ansagen, die Roemer in den Meinungsumfragen vor der Wahl im September an die Spitze katapultiert haben. Der ehemalige Volksschullehrer gilt als der Unverbrauchte unter den Parteichefs. Die Regierung des liberalen Premiers Mark Rutte hatte sich auf ein Bündnis mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders eingelassen und ist von diesem am Ende gestürzt worden. Ein Sparprogramm zur Eindämmung des Defizits wollte Wilders nicht mehr mittragen.

Keine Mehrheiten in Sicht

In der extrem fragmentierten Parteienlandschaft dürfte die Regierungsbildung schwierig werden, sagt die Politologin Sarah de Lange von der Uni Amsterdam: „Zur Zeit ist es überhaupt schwer vorstellbar, dass eine ideologisch zusammenpassende Regierung zustande kommt, die Wesentliches voranbringt. Es muss wohl irgendeine Zusammenarbeit zwischen links und rechts geben, weil derzeit keiner der Blocks eine eigene Mehrheit hat“.

Doch die Basis einer solchen Zusammenarbeit ist unklar, ebenso wie der künftige europa-politische Kurs. Roemers Linkssozialisten wehren sich so wie die Sozialdemokraten gegen die schnelle Rückführung des Defizits, weil damit die Konjunktur abgewürgt werde. Auch das Spardiktat für die Südeuropäer sei die falsche Medizin, sagt Roemer: „Die, die in Brüssel das Sagen haben, die kennen nur Sparen, Sparen, Gehälter kürzen, Leute auspressen. Die Wirtschaft bricht noch weiter ein. Und in Griechenland werden die Rechtsextremen stärker. Das kommt heraus, wenn man Menschen in die Armut treibt“.

Wilders weiter im Spiel

Die Regierung von Mark Rutte war bei Sparforderungen an die Südeuropäer bisher immer an vorderster Front. Doch vor allem sein christdemokratischer Koalitionspartner bekommt die Rechnung für unpopuläre Regierungsentscheidungen zu Hause präsentiert und verliert in den Umfragen.

Mit dem als Islamfeind groß gewordenen Geert Wilders, der die Regierung bis April geduldet hat und jetzt mit einer strikten Anti-EU und Anti-Eurokampagne auf Stimmenfang geht - mit ihm will Rutte momentan nichts mehr zu tun haben. Doch Wilders nimmt's gelassen. Vor der letzten Wahl, sagt er, hat auch niemand geglaubt, dass wir mitbestimmen würden.