Weiteres Urteil im chinesischen Politskandal

Im größten Politskandal in China seit Jahren ist heute ein weiteres Urteil gefällt worden. Der Ex-Polizeichef der Millionenmetropole Chongqing ist zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann galt als Vertrauter des KP-Spitzenpolitikers Bo Xilai, der aller Parteiämter enthoben wurde. Der Fall überschattet den geplanten Machtwechsel.

Morgenjournal, 24.9.2012

Ende eine Bilderbuchkarriere

Wang Lijun galt in China jahrelang als Vorzeigepolizist. Als Polizeichef der Inlandsmetropole Chongqing hat er dort mit dem organisierten Verbrechen aufgeräumt. Sogar eine chinesische Fernsehserie nahm sich ihn als Vorbild. Jetzt ist die Karriere des ehrgeizigen Wang Lijun wohl für immer beendet. Doch geht es um viel mehr als nur um ihn. Jeder fragt sich, was mit seinem ehemaligen Boss Bo Xilai passieren wird. Bo war Parteichef von Chongqing. Seine Frau soll einen britischen Staatsbürger ermordet haben und wurde dafür bereits verurteilt.

Der Vorwurf steht im Raum, dass Bo seine Frau decken und den Skandal unter den Tisch kehren wollte: Sein Polizeichef spielt anfänglich mit, später überwerfen sich die beiden Männer. Der Polizist fürchtet um sein Leben, flüchtet in ein amerikanisches Konsulat und packt kurze Zeit später gegenüber den Behörden in Peking aus. Es geht um Mord, Intrigen, Machtmissbrauch und persönliche Bereicherung. Seine Enthüllungen erschüttern die Partei bis auf die Grundfesten. Und bis zuletzt sind sich Chinas Führer offenbar nicht einig, wie man mit Bo Xilai verfahren soll: Bleibt er unter Hausarrest oder wird ihm öffentlich der Prozess gemacht?

Parteitag verzögert?

Darüber sowie über Macht, Positionen und Einfluss wird derzeit hinter den Kulissen der kommunistischen Partei heftig gestritten. Anders ist es kaum zu erklären, dass die KP noch immer keinen Termin für ihren Parteitag bekanntgegeben hat. Der sollte eigentlich schon in den nächsten Wochen stattfinden. Es ist das wichtigste KP-Treffen des Jahrzehnts - soll dort doch der geplante Generationswechsel an der Parteispitze eingeläutet werden. Ein neuer Parteichef wird ernannt, der in wenigen Monaten dann auch das Präsidentenamt übernehmen wird. Die wichtigsten Machtpositionen in Partei und Staat werden neu besetzt. Und viele glauben, dass der Parteitag erst dann stattfinden kann, wenn die Affäre um Bo Xilai endgültig bereinigt ist.

Die Geheimniskrämerei in diesem Fall, die verstärkte Internetzensur - das alles hat zu wilden Gerüchten und Verschwörungstheorien in China geführt. Von einem drohenden Putsch war zeitweise sogar schon die Rede. Vieles davon scheint frei erfunden. Fest steht jedoch: Der Fall von Bo Xilai ist für Partei das größte PR-Desaster seit vielen Jahren.