Vor Gipfel: Merkel für neuen EU-Fonds

In Brüssel beginnt heute ein wichtiges Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs. Geht es nach der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, sollen heute die Weichen für ein geeinteres Europa gestellt werden, zumindest hat sie dies in einer Regierungserklärung heute Früh angekündigt.

Mittagsjournal, 18.10.2012

Geld für Reformprojekte

Merkel schlug in ihrer Rede einen neuen Solidaritäts-Fonds zur Unterstützung von Reformen in europäischen Krisenländern vor. Damit könne "ein neues Element der Solidarität" eingeführt werden, sagte Merkel im Bundestag. Aus dem Topf könnten zeitlich befristet und projektbezogen Gelder in Anspruch genommen werden. Gespeist werden könne der Fonds aus den Einnahmen der Finanztransaktionssteuer. Merkel schlug als Voraussetzung zur Nutzung des Solidaritätsfonds vor, dass Mitgliedsstaaten mit der europäischen Ebene verbindliche Reformvereinbarungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit schließen und auch die nationalen Parlamente zustimmen. Nicht alle Länder seien in der Lage, gleichzeitig ihre Haushalte zu konsolidieren und Wachstum zu schaffen, begründete sie ihren Vorstoß.

"Konturen einer Stabilitätsunion"

Die Kanzlerin rief zu weiteren Anstrengungen zur Überwindung der Eurokrise auf. Der Euro seit weit mehr als eine Währung. "Dieser Euro steht symbolhaft für die wirtschaftliche, soziale und politische Einigung Europas." Das am Abend in Brüssel beginnende Treffen werde nicht der letzte Krisengipfel sein. Zugleich gelte aber: "Manches ist bereits geschafft. Wir können die Konturen einer Stabilitätsunion bereits deutlich erkennen."

Rückhalt für Schäuble

Im Streit um mehr Rechte für den EU-Währungskommissar gab Merkel Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Rückendeckung. Deutschland sei dafür, der EU-Kommission bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin "echte Durchgriffsrechte gegenüber den nationalen Haushalten zu gewähren". Die Autorität dafür läge dann beim Währungskommissar. Ihr sei bewusst, dass es in vielen anderen Mitgliedsstaaten dazu noch keine Bereitschaft gebe. "Das ändert nichts daran, dass wir uns dafür stark machen werden." Zur Kritik an Schäubles Vorschlag für eine Aufwertung des Währungskommissars sagte die Kanzlerin: "So bauen wir ein glaubwürdiges Europa nicht, wenn wir alles sofort vom Tisch wischen."

Bankenaufsicht: Qualität vor Tempo

Erwartungen an eine rasche europäische Bankenaufsicht und damit die Möglichkeit direkter Finanzspritzen an Banken durch den Rettungsfonds dämpfte Merkel. Voraussetzung für eine direkte Rekapitalisierung sei eine wirksame Aufsicht. "Ich will es ganz deutlich sagen: Der bloße Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens für eine Bankenaufsicht reicht nicht aus." Zunächst müsse eine arbeitsfähige und effektive Bankenaufsicht stehen. Dies sei kompliziert, aber leistbar. "Allerdings muss Qualität an dieser Stelle vor Schnelligkeit gehen." Aus Sicht Deutschlands ist der von der EU-Kommission angestrebte Start der Bankenaufsicht schon im Januar 2013 unrealistisch.

Steinbrück kontert

Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück rief Merkel im Gegenzug zu größeren Anstrengungen bei der Eurorettung auf. Kein Rettungsschirm sei zu groß, um Europa zu bewahren, rief Steinbrück beim ersten direkten Schlagabtausch mit der Kanzlerin im Parlament nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten. "Kleinmut würde dem nicht gerecht." "Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen", sagte Steinbrück am Donnerstag im Bundestag. Nötig sei ein echter Wachstums- und Beschäftigungspakt für Europa. Denn in Krisenländern gelte: "Not zerstört Demokratie." Erforderlich sei außerdem eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung. Zur geplanten Bankenunion müsse ein Fonds zur Rekapitalisierung von Instituten gehören. Dieser solle aber nicht von den Steuerzahlern, sondern der Branche selbst gespeist werden. (Text: APA, Red.)