Skandalvorwurf gegen Wen: Zensur ausgeweitet
Knapp zwei Wochen vor dem großen Machtwechsel auf dem Parteitag wird Chinas KP von einem neuen Skandal erschüttert. Die Familie von Premierminister Wen Jiabao soll während seiner Amtszeit mehr als zwei Milliarden Euro an Vermögen angehäuft haben. Das berichtet die New York Times. China reagiert wütend und verhängt umfangreiche Zensurmaßnahmen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.10.2012
Gerüchte werden Gewissheit
Wen Jiabao gibt sich stets volksnah und bescheiden und verweist gerne auf seine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen. Doch das hat sich gründlich geändert. Seine Familie ist in den Jahren seiner Amtszeit offenbar zu einer der reichsten Chinas aufgestiegen. Zu diesem Schluss kommt ein detailliert recherchierter Bericht der New York Times. Familienangehörige des Premierministers sollen demnach über ein Netzwerk an Firmenbeteiligungen und Aktien ein Vermögen von mehr als zwei Milliarden Euro kontrollieren. Der Leser erfährt erstaunliche Details. Demnach soll die 90-Jährige Mutter des Regierungschefs vor fünf Jahren eine Investition von 120 Millionen Dollar getätigt haben. Der Sohn soll unter anderem einen Auftrag über 30 Millionen Dollar für Abwasseranlagen bekommen haben, nachdem die Regierung unter seinem Vater strengere Regeln zur Abwasserklärung erlassen hatte. Die Frau von Wen Jiabao ist die größte Nummer im chinesischen Diamantenhandel. Doch das war gerüchteweise auch schon vor dem Erscheinen des New York Times Artikels bekannt. Die Enthüllungen nähren die Gewissheit, dass mächtige Familien innerhalb der KP sich ganze Wirtschaftszweige untereinander aufgeteilt haben.
Nicht nur NYT-Seiten gesperrt
Die Reaktionen auf den Zeitungsartikel sind heftig. Der Sprecher des Außenministeriums nennt die Enthüllung eine gezielte Schmierkampagne gegen China. Dass der Online-Auftritt der New York Times in China sofort nach Erscheinen des Berichts gesperrt wurde. kommentiert der Außenamtssprecher so: "China managt das Internet auf der Basis von Recht und Regeln."
Die Finanzen von Chinas roten Adelsfamilien sind Staatsgeheimnis. Und so ist nicht nur die Website der New York Times blockiert. Auch das Signal ausländischer TV-Sender wird in China derzeit unterbrochen, sobald über den Skandal berichtet wird. Und auch in den populären Mikroblogs versuchen die Zensoren die Diskussion zu unterbinden.
Ramponiertes Image
Die Kommunistische Partei ist gerade jetzt vor dem wichtigsten Parteitag des Jahrzehnts um ihr Image besorgt, das nach einer Reihe an Skandalen ziemlich ramponiert ist. Monatelang hatte man etwa über das Schicksal des einst mächtigen KP-Politikers Bo Xilais gestritten, der über ein Netz an Korruption, Mord und Intrigen gestolpert war. Jetzt wird er angeklagt. Die Affäre hat tiefe Gräben und Risse innerhalb der Partei offenbart. Der Premierminister hat die Demontage des roten Populisten Bo Xilai angeblich maßgeblich vorangetrieben. Und so wird spekuliert, dass die Gegner von Wen Jiabao auch bewusst Informationen zum Reichtum seiner Familie verbreitet haben. Als Retourkutsche, um ihm zu schaden.