Höchstrichter prüfen Staatsbürgerschaftsrecht

Der Verfassungsgerichtshof prüft das Staatsbürgerschaftsrecht: Die Regelung, dass jemand, der Sozialhilfe bezogen hat, generell von Einbürgerung ausgeschlossen ist, dürfte verfassungswidrig sein, bestätigt das Höchstgericht einen entsprechenden "Standard"-Bericht.

Mittagsjournal, 6.11.2012

Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet

Anlass für die Prüfung des Verfassungsgerichtshofes ist der Fall einer Uruguayanerin. Die Frau lebt seit 1976 durchgängig in Österreich und gilt wegen psychischer Beeinträchtigungen zu 50 Prozent als behindert, weil sie von der Mindestsicherung lebt, wurde ihr Einbürgerungsantrag im Vorjahr abgelehnt. Das so die Bedenken des Höchstgerichtes, dürfte verfassungswidrig sein, er hat die Beschwerde der Frau angenommen und ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet. Im Zentrum steht dabei eine Regel ohne Ausnahme, im Staatsbürgerschaftsgesetz heißt es auszugsweise nämlich: "Der Lebensunterhalt ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte im Durchschnitt der letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen ermöglichen."

Keine Nachteile wegen Behinderung

Wer welche Sozialleistungen auch immer bezogen hat, ist von der Einbürgerung also ausgeschlossen, Ausnahmen von dieser Regel sind nicht vorgesehen, auch für Menschen mit Behinderung nicht. Und das dürfte gegen das verfassungsrechtliche Verbot verstoßen, Menschen wegen einer Behinderung zu benachteiligen. Das Höchstgericht führt in seinem Beschluss aber auch noch einen zweiten Grund für die Prüfung an: Auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander dürfte das Gesetz verstoßen. Etwa dann, so ein frei erfundenes Beispiel, wenn eine mehrfach vergewaltigte Frau aus Tschetschenien aufgrund ihrer Vorgeschichte nicht voll arbeitsfähig ist und deshalb Sozialleistungen bezieht, mit einer unbelasteten einbürgerungswilligen Serbin gleichgestellt wird. Besondere Ausnahmesituationen unverschuldeter Notlage, so die Bedenken des Höchstgerichts, also nicht berücksichtigt werden.

In Kurz-Vorschlägen nicht gelöst

Das Prüfverfahren des Verfassungsgerichtshofes ist gestern eingeleitet worden und dauert etwa neun Monate, In den meisten Fälle führen solche Verfahren zur Aufhebung der entsprechenden Bestimmung. Daran ändern auch die von Integrationsstaatsekretär Sebastian Kurz (ÖVP) zuletzt zahlreich vorgeschlagenen Änderungen am Staatsbürgerschaftsgesetz nichts. Zum einen wird immer nur ein geltendes Gesetz geprüft, zum anderen dürften aber auch mit den Kurz'schen Vorschlägen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen bleiben. Der Integrationsstaatsekretär sieht zwar nämlich Ausnahmen für Behinderte vor, aber keine bei unverschuldeter Not.