Gaza: Waffenruhe hält bisher

Nach acht Tagen schwerer Kämpfe haben sich Israel und die Palästinenser am Abend auf einen Waffenstillstand geeinigt. Die Waffenruhe ist in den ersten Stunden offenbar weitgehend eingehalten worden. Tausende Palästinenser haben in der Nacht das Ende der israelischen Bombardierungen gefeiert. Israel zeigt sich aber über eine dauerhafte Waffenruhe skeptisch.

Morgenjournal, 22.11.2012

Eine erste weitgehend ruhige Nacht seit mehr als einer Woche haben die Menschen im Gazastreifen und in Israel heute erlebt, die gestern vereinbarte Waffenruhe wird bisher eingehalten. Vorbei ist der jüngste Gaza-Konflikt damit aber noch lange nicht. Israel hält weiterhin Truppen für eine Bodenoffensive gegen die Hamas-Extremisten bereit, denn der Raketenterror gegen Israel soll auf Dauer gestoppt werden. Dennoch feiern die Palästinenser die Waffenruhe wie einen Sieg

Waffenruhe hält

Freudenkundgebungen, ja beinahe Siegesfeiern in der Nacht in Gaza – in Israel ist man hingegen kühl und skeptisch. Nach acht Tagen im Zeichen des Raketenfeuers ist heute der erste Tag der Bewährung für eine wohl recht zerbrechliche Waffenruhe gekommen. Gestern Abend wurde sie in Kairo vom ägyptischen Außenminister Mohammed Kamel Amr und seiner amerikanischen Amtskollegin Hillary Clinton verkündet. Um 20 Uhr österreichischer Zeit ist sie in Kraft getreten, und bisher hat sie ungefähr gehalten, was man sich von ihr versprechen durfte. In den ersten drei Stunden zählte man in Israel nach ungefähr 15 Abschüsse von Raketen aus dem Gasastreifen, ein Haus bekam einen Treffer ab, seither ist es ruhig. In Gaza wurde von einer Explosion kurz nach Beginn der Waffenruhe berichtet, die Ursache war unklar und es wurde niemand verletzt – auch die israelische Armee hat nun offenbar alle Angriffe eingestellt.

Israel weiter wachsam

Die Bevölkerung in Israel ist aber weiterhin angewiesen, wachsam zu sein, es sei vielleicht noch nicht ganz vorbei, sagen die Behörden, man solle in der Nähe der Schutzräume bleiben. Auch heute gibt es in den gefährdeten Gemeinden noch keinen Schulunterricht. Besonders in Südisrael, wo man jahrelang den Raketen ausgesetzt war, zeigen sich Bürgermeister und Bürger enttäuscht über die Waffenruhe, es gab sogar Demonstrationen dagegen – man hätte die Armee weitermachen lassen müssen, bis die Hamas kapituliert hätte, heißt es da, nach diesem Ausgang würde bald wieder alles von vorne beginnen.

Aber Premier Benjamin Netanjahu erklärte gestern Abend, man habe viel erreicht, und die Entscheidung sei insbesondere mit den USA koordiniert: Ich weiß, es gibt Bürger, die eine noch schärfere Militäroperation wollen, und es kann sein, dass das nötig sein wird. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es das Richtige für Israel, diese Gelegenheit zu nützen, einen dauerhaften Waffenstillstand zu erreichen.

Zentraler Punkt Gewaltverzicht

Genau die Dauerhaftigkeit ist die große Frage. Es gibt kein eigentliches unterschriebenes Abkommen zwischen den beiden Seiten, die Vereinbarungen sind zumindest nach außen hin bloß in ein ägyptisches Dokument gekleidet, und das ist vage und löchrig. Besonders der Passus, der die Blockade des Gasastreifens betrifft, wird von den beiden Seiten unterschiedlich interpretiert. Die Hamas sagt, dass nach einer Abkühlungsperiode von 24 Stunden Arrangements über die Öffnung aller Übergänge ausgehandelt werden müssen. Aus israelischer Sicht ist das undenkbar – äußerstenfalls könnte der Grenzübergang aus Ägypten in den Gasastreifen auch für den Warenverkehr geöffnet werden, sagen die Israelis – dabei müsste aber gewährleistet sein, dass keine Waffen geschmuggelt werden.

Zentraler Punkt ist natürlich der Gewaltverzicht. Wenn die Ruhe nun Monate oder gar Jahre hält, dann wird man rückblickend sagen können, dass eine neue Ära begonnen hat.

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