Rechtsanwälte kritisieren Justizapparat
Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung beklagen die Österreichischen Rechtsanwälte in ihrem jährlichen "Wahrnehmensbericht". Kritisiert werden die hohen Gerichtskosten und die kurzen Begutachtungsfristen für Gesetze. Resümee des Rechtsanwaltskammertags, der Vertretung der Anwälte: Das Justizwesen ist nicht generell schlecht, aber Missstände werden nur zögerlich - wenn überhaupt - beseitigt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.12.2012
Aushöhlung des Rechtsstaates
Die Vorratsdatenspeicherung ist den Rechtsanwälten schon seit langem ein Dorn im Auge. Von einer schleichenden Aushöhlung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit spricht der Präsident des Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff, und nennt als Beispiel "die geplante Verknüpfung des Zugriffes auf die gespeicherten Daten nicht nur zur Ahndung schwerer Strafdaten, sondern auch um die Rechte von Urhebern durchzusetzen - die zugegebenermaßen zu recht bestehen, aber es bedarf hier einer Rechtsgüterabwägung." Und das geschehe zu wenig. Forderung: Ohne klaren Verdacht und ohne richterliche Kontrolle - kein Zugriff auf die Daten!
Sorge wegen Sparkurs
Der allgemeine Sparkurs in ganz Europa ist auch großes Thema unter den Rechtsanwälten. Die Präsidentin der Vereinigung der Europäischen Anwälte, Marcella Prunbauer-laser sieht eine besorgniserregende Entwicklung in zunehmenden Eingriffen in Justizbudgets. Im Gegenzug würden Gerichtsgebühren erhöht, und die Ressourcen der Gerichte, Stichwort personelle Ausstattung, zurückgefahren in ganz Europa. In Österreich kritisieren die Anwälte die kurzen Begutachtungsfristen bei Gesetzesvorhaben und die hierzulande besonders hohen Gerichtsgebühren. Anwältepräsident Wolff: "Es kann und darf nicht sein, dass hohe Gerichtsgebühren den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht verwehren."
"Es tut sich zu wenig"
Anhand vieler Einzelfälle wollen die Rechtsanwälte belegen, dass in Justiz und Verwaltung manches im Argen liegt. Stichwort Akteneinsicht: Vizepräsident Josef Weixelbaum berichtet von einem Fall aus einem Asylverfahren, in dem der Anwalt sich mit einem Sack voller Münzen auszurüsten hatte, weil bei der Fremdenpolizei in Wien lediglich ein Münzkopierer zur Verfügung stehe - bei benötigten Aktenabschriften im Umfang von 1.500 Seiten. So etwas geht gar nicht, sagen die Anwälte. Lösung: der elektronische Akt.
Bei vielen Kritikpunkten und Forderungen hat man als Beobachter tatsächlich ein Deja vu: Alles schon einmal gehört: "Es tut sich viel zu weinig", sagt Kammer-Präsident Ruppert Wolff. Weniger Obrigkeitsdenken und mehr Servicebetrieb in der Justiz, fordern die Anwälte.