Experte: Gesundheitsreform nur auf dem Papier
Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer relativiert die gestern erzielte Einigung auf eine Gesundheitsreform in Österreich. Es seien kaum echte Einsparungen zu erwarten, sagt Pichlbauer im Ö1 Morgenjournal. Auch den geplanten Sanktionen bei Verstößen gegen die Vereinbarung steht er skeptisch gegenüber. Langfristig verspricht sich der Experte aber immerhin doch Verbesserungen für die Patienten.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 12.12.2012
Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer im Gespräch mit Andrea Maiwald
"Einsparungen sind gar keine"
Die nun nach langem Ringen vereinbarte Gesundheitsreform sei zwar tatsächlich "die große Reform", sagt Gesundheitsexperte Ernest Pichlbauer, allerdings: "auf dem Papier". Immerhin würden damit das erste Mal ganz konkret die Schritte beschrieben, wie Länder und Krankenkassen zusammenarbeiten. "Das gab es in der Zweiten Republik noch nicht. Ob es dann eine wirklich große Reform wird, ist ein anderes Thema." Große Einsparungen erwartet der Gesundheitsökonom allerdings nicht: Das Ziel, zusätzliche Milliardenkosten zu vermeiden und zugleich das Angebot für den Patienten zu verbessern sei "ganz leicht" zu erreichen, sagt Pichlbauer und begründet das so: " Weil die Einsparungen gar keine sind. Da hat man Wachstumsprognosen angenommen, die eigentlich jenseitig hoch waren, und nimmt die jetzt zurück. Das heißt, das sind sehr virtuelle Einsparungen. Betrachtet man die Kosten genau, dann sieht man, dass in Wirklichkeit sehr wenig eingespart wird, und was dadurch auch Skepsis bei mir hervorruft."
Den Widerstand der Ärzte gegen die Gesundheitsreform erklärt Pichlbauer mit den künftig geänderten Zuständigkeiten: Die Krankenkassen würden über Kassenstellen nicht mehr exklusiv mit den Kammern verhandeln, sondern mit den Ländern. "Sprich: Die realpolitische Macht der Ärztekammer wird deutlich reduziert."
Langfristige Verbesserungen
Konkrete Auswirkungen für die Patienten erwartet Pichlbauer zumindest ab 2014 noch wenige. Diese inhaltlichen Ziele seien sehr schwierig aufzuarbeiten. Am Ende der Entwicklung werde der Patient aber nur Verbesserungen spüren können, ist sich der Experte sicher: bessere Öffnungszeiten, bessere Erreichbarkeit der niedergelassenen Ärzte, Vorsorge und Rehabilitationsmaßnahmen würden besser in das Gesundheitssystem integriert, die Betreuung insbesondere von chronisch Kranken werde verbessert.
Negativ steht Pichlbauer den vorgesehenen Geldsanktionen für säumige Bundesländer gegenüber, weil das ohnehin der Steuerzahler zu begleichen hätte. Und insgesamt glaubt Pichlbauer nicht, dass das System mit der nun getroffenen Vereinbarung "auf ewig" gerettet sei. Die wirkliche Lösung ist aus seiner Sicht "die echte Finanzierung aus einer Hand und nicht nur virtuell".
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