EU: Berufsheer ist Norm
In den meisten Staaten hat man sich in den letzten Jahren für ein Berufsheer entschieden. Nur mehr in Finnland, Estland, Griechenland, Zypern herrscht allgemeine Wehrpflicht. Im kleinen Dänemark entscheidet das Los, wer einberufen wird. Einen EU-Beschluss gibt es allerdings nicht. Die Mitgliedsstaaten entscheiden alleine, wie sie ihre Landesverteidigung organisieren.
8. April 2017, 21:58
Trend weg von Wehrpflicht
Der Trend weg von der allgemeinen Wehrpflicht ist in Europa unübersehbar. Zuletzt hat sich Deutschland für ein Berufsheer entschieden. Nur mehr 6 der 27 EU-Staaten rufen junge Männer ganz traditionell obligatorisch zu den Waffen. Jan Techau, Chef der Brüsseler Denkfabrik Carnegie, sieht Sachzwänge hinter dieser Entwicklung: "Die EU hat offiziell keine Position dazu, das ist ganz klar eine Obliegenheit der Mitgliedsstaaten, da gibt es keine EU-Kompetenz. Ich glaube, dass der Druck hin zur Berufsarmee nicht von der EU kommt, sondern aus den verteidigungs- und sicherheitspolitischen Gegebenheiten und Realitäten. Es ist ganz klar, dass die Zukunft der europäischen Sicherheit hier in der Spezialisierung liegen wird – pooling and sharing, das heißt, einzelne Mitgliedsstaaten werden sich überlegen müssen, was sie beitragen wollen zur Sicherheit. Und das bedeutet Spezialisierung und Spezialisierung bedeutet meist weg von Wehrpflicht, hin zu professionellen Vollzeitsoldaten. "
Nationale Debatten haben Vorrang
Dass die NATO-Mitgliedschaft der meisten EU-Staaten mit der Professionalisierung der Streitkräfte zu tun hat, glaubt der Politikexperte Jan Techau nicht: "In der NATO gibt es beides, da gibt es beide Modelle, es gibt Wehrpflicht- und Berufsarmeen. Wenn wir uns zum Beispiel die Türkei ansehen, das zweitgrößte NATO-Heer, nach den Amerikanern, das ist eine Wehrpflichtarmee. Also es gibt diese Modelle sowohl im Kleinen wie im Großen. Mit der NATO selber hat das in diesem Fall denke ich nichts zu tun. Es ist überhaupt überraschend zu sehen eigentlich, dass die Debatten über Wehrpflicht oder nicht, völlig unabhängig von NATO- und EU-Kontexten geführt wurden. Das waren immer fast ausschließlich nationale Debatten."
Der Kostenfaktor
In ganz Europa wird abgerüstet, die Streitkräfte werden kleiner. Aber professionelle Berufsarmeen sind teuer, das ist eines der Probleme mit dem alle Staaten der EU zu kämpfen haben. Außenpolitikexperte Jan Techau: "Das eine ist der Kostenfaktor, am Ende sind Wehrpflichtige eben doch relativ günstig und Berufssoldaten sind relativ teuer. Die zweite Frage ist: In fast allen Ländern sind mit Wehrpflichtarmeen auch Ersatzdienstfragen verbunden; Zivildienst in Deutschland und andere Formen von Ersatzdienst. In Deutschland hat es darüber eine sehr lange Diskussion gegeben, welches Modell können wir wählen, wenn die Wehrpflicht wegfällt, damit soziale Dienste da nicht ihre manpower einbüßen. Das ist mit gemischtem Erfolg passiert. Da ist glaube ich das letzte assessment noch nicht da. Und die dritte große Frage ist, wo kriegen Sie genügend Soldaten her, wenn Sie sie nicht mehr über die Wehrpflicht rekrutieren. Wie kriegen Sie die Leute rein, welche Anreize schaffen Sie, Leuten eine Karriere in den Streitkräften nahezulegen. Da muss man dann viel kreativer sein als vorher."
Keine gemeinsame Armee in Sicht
Von der manchmal erträumten gemeinsamen Armee sind die Europäer auf jeden Fall weit entfernt. Als die NATO den libyschen Rebellen gegen Gaddafi zur Seite stand, hielt sich Deutschland fern. Trotz aller Budgetnöte konnten sich die Atommächte Frankreich und Großbritannien auf den Bau eines gemeinsamen Flugzeugträgers nicht einigen. Ein von Airbus gebautes gemeinsames Transportflugzeug wartet noch immer auf die Zulassung. Zumindest der Grundsatz ist aber allgemein akzeptiert, dass EU-Sicherheitspolitik ohne ein Minimum an militärische Arbeitsteilung wenig Zukunft hat. Egal ob mit oder ohne Wehrpflicht.
Mittagsjournal, 8. 1. 2013
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