DÖW zur NS-Zeit: Kulturschaffende im Visier

Das Gedenken an die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich vor 75 Jahren ist für manche Institutionen Anlass, sich spät, aber doch mit ihrer Verstrickung in das NS-System auseinanderzusetzen. So etwa die Akademie der Wissenschaften, die sich mit einem Symposium und einer Ausstellung der Geschichte stellt. Oder die Wiener Philharmoniker, in deren Sog müssen sich jetzt auch die Verantwortlichen für den Carinthischen Sommer mit dem Thema Nationalsozialismus befassen. Ein Musterbeispiel für Verdrängung und allzu späte Reaktion unter öffentlichem Druck.

Mittagsjournal, 12.3.2013

Ehrenring an Schirach

Der Historiker Herbert Matis von der Wirtschaftsuniversität Wien gehört zu einer Arbeitsgruppe, die die Rolle der Akademie der Wissenschaften in der NS-Zeit beleuchtet hat: derartige Jubiläen seien immer ein Ansatz für unangenehme Fragen an Institutionen. Man könne einfach der Vergangenheit nicht ausweichen, sie hole einen immer ein.

Stichwort Philharmoniker, und im Gefolge jetzt das Villacher Musikfestival Carinthischer Sommer: Dessen Gründer Helmut Wobisch, ein SS-Mann und Nazi-Spitzel, war in den 50er Jahren Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker. Als solcher soll Wobisch noch 1966 einen Ehrenring an die Nazi-Größe Baldur von Schirach übergeben haben. Den Intendanten des Carinthischen Sommers, Thomas Daniel Schlee, kümmert das nicht: diese Dinge seien nicht neu.

Historiker: Fakten auf den Tisch

Dennoch gibt es seit Wobischs Tod Jahr für Jahr Gedächtniskonzerte. Schlee auf die Frage, ob die abgeschafft werden sollen: dann müsse man das ganze Festival beenden. Die Frage sei, ob man ein solches von einem überzeugten Nazi gegründetes Festival weiterführen soll, das wäre eine mutige Entscheidungsfrage.

Das habe wenig Sinn. Es sei niemandem gedient, den Carinthischen Sommer einzustellen. Man sollte aber die Fakten auf den Tisch legen und darauf hinweisen, wie die Dinge passiert seien, entgegnet der Historiker Herbert Matis. Und dazu könnte es jetzt kommen, am Freitag werden die Verantwortlichen in Villach beraten, ob über die Nazi-Vergangenheit von Wobisch etwas auf die Homepage gestellt wird - derzeit findet sich dort kein Wort. Und die Obfrau des Vereins Carinthischer Sommer, Walpurga Litschauer, verweist darauf, dass im Vorjahr der 100. Geburtstag von Wobisch mit einem Konzert gewürdigt worden sei und das könnte auch ein gewisser Schlusspunkt sein.

Im Programm des Carinthischen Sommers für 2013 ist für 18. August wieder ein Helmut-Wobisch-Gedächtniskonzert angekündigt. Pikanterweise mit einem Stück von Mendelssohn-Bartholdy und einer Lesung aus Werken von Heine - beide von den Nazis geächtete Künstler.