Flüchtlingswelle überfordert den Libanon
Eine Million Flüchtlinge aus Syrien sind in den Libanon gekommen, der selbst nur vier Millionen Einwohner hat. Nach der konfliktgeladenen Geschichte der großen Flüchtlingslager für die Palästinenser will man im Libanon mit den syrischen Flüchtlingen kein neues, Jahrzehnte dauerndes Problem schaffen. Aber die kleinen, überschaubaren Zeltlager überfordern die internationalen Hilfsorganisationen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.4.2013
So groß wie Oberösterreich
Wie würden die Österreicher reagieren, fragt Kelly Ninette von der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR und erklärt die unfassbare Dimension der Flüchtlingskrise im Libanon: "Der Libanon ist ungefähr so groß wie Oberösterreich, seit Anfang 2012 haben sich 416.000 Flüchtlinge offiziell registriert, dazu kommen noch hunderttausende, die noch nicht registriert wurden oder versuchen, sich noch ohne Hilfe durchzuschlagen." Eine Million syrische Flüchtlinge sind bereits im Libanon, schätzt die libanesische Regierung.
Obwohl der Libanon selbst nur vier Millionen Einwohner hat, habe das Land die Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen, so Kelly Linette vom UNHCR: "Sie haben sie angenommen und ihre Grenzen nicht geschlossen. Zehntausende Familien haben Flüchtlingsfamilien aufgenommen und teilen das wenige, das sie haben." Doch die Kapazitäten, bei Gastfamilien unterzukommen oder Flüchtlinge in unbewohnten Häusern oder Hallen unterzubringen, sind längst ausgeschöpft. Und so sprießen primitivste Zeltlager wie Schwammerln aus dem Boden, besonders betroffen ist die Bekaa-Ebene im Osten des Landes.
Zelt aus Karton und Plastik
"Weil die Regierung im Libanon nicht erlaubt, offizielle Flüchtlingslager zu errichten, haben die Menschen begonnen, solche Zeltsiedlungen aufzustellen", sagt Pater Simon Fadoul von Caritas Libanon. Er steht am Eingang einer kleinen Zeltstadt, die mit österreichischen Mitteln notdürftig versorgt wird. Hoffnungsvoll und freudig werden Besucher im Lager empfangen, es wimmelt von kleinen Kindern, mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge aus Syrien sind Kinder. In einem aus Karton und Plastik errichteten Zelt leben elf Personen: Farage und seine Frau Fosa, ihre sieben Kinder und die Familie des Bruders.
Während Fosa den jüngsten Sohn stillt, erzählt Farage von der Flucht aus Homs. Mit einem angeschossenen Bein musste Farage stundenlang zu Fuß gehen, gestützt auf seinen Bruder und den 13-jährigen Sohn. Die Familie hat mehrere Verwandte im Krieg verloren und ist wie die meisten Familien hier traumatisiert. "Das Leben im Zelt ist hart, erzählt Fosa. Es gibt nur selten Strom, keinen Wasseranschluss, dafür steht ein Teil des Zeltes unter Wasser. Fosa ist vor allem beunruhigt, weil die Kinder ansteckende Hautausschläge bekommen haben, ein dreijähriges Mädchen hat bereits große klaffende offene Wunden an Füßen und Beinen. "Die Kinder waren schon in der Schule", erzählt Farage, "doch hier können sie nicht gehen und haben keine Zukunft", sorgt sich der 40-Jährige.
Täglich kommen tausende neue Flüchtlinge aus Syrien in den Libanon, sowohl für sie als auch für die Libanesen wird die Situation immer schwieriger. Der Libanon und die Flüchtlingshilfeorganisationen brauchen dringend Unterstützung.
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