China: Ende des Wirtschaftsbooms

Chinas Wachstumsmodell hat ernste Probleme. Jüngste Zahlen belegen sogar einen Rückgang in der Industrieproduktion, was auf asiatischen Börsen für Unruhe gesorgt hat. Das mittlerweile deutlich niedrigere Wachstum lässt sich nur mit massiven Investitionen in Großprojekte aufrechterhalten. Doch führt dieser Kurs zu einer immer höheren Verschuldung der Provinzen und zu Überkapazitäten in der Industrie. Genau das wollten Chinas Führer verhindern und stattdessen den Inlandskonsum ankurbeln.

Mittagsjournal, 25.5.2013

Gefährliche Entwicklung

Die Pläne liegen längst auf dem Tisch. Mit steigenden Löhnen soll der Inlandskonsum angekurbelt werden und die Abhängigkeit von Exporten und staatlichen Investitionen verringert werden. Bloß, die Pläne von Chinas neuen Führern sind derzeit ein Wunschtraum. Um das sich verlangsamende Wachstum nicht noch weiter abzubremsen wird immer mehr in große Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekte investiert. 46 Prozent beträgt der Anteil von Sachinvestitionen an Chinas Wirtschaftsleistung hat das staatliche Statistikamt jetzt errechnet, nur mehr rund der Prozent der Anteil der Nettoexporte. Das zeigt die Schieflage und wie stark in China inzwischen die Investitionen und nicht mehr die Auslandsnachfrage das Wachstum antreiben oder - wie das ja gewünscht wäre - der Konsum. Eine gefährliche Entwicklung, die etwa in der Stahlbranche massive Überkapazitäten erzeugt hat und China ein Schuldenproblem beschert, sagen Ökonomen wie Michael Pettis, der an der Management Schule der Universität Peking unterrichtet: "Die Verschuldung in China ist ein ernstes Problem, sie nimmt drastisch zu. Das lässt sich nicht unbedingt an der offiziellen Staatsverschuldung ablesen, weil staatliche Investitionen direkt über das staatliche Bankenwesen abgewickelt werden und vieles verschleiert wird. Ich bin aber sicher, dass die Verschuldungsquote in China, vor allem in den Provinzen, mittlerweile ähnlich hoch ist wie in manchen Schuldenstaaten Europas."

Investitionen die keiner braucht

Der Erfolg lokaler Parteikader wird noch immer am lokalen Wirtschaftswachstum festgemacht. Und so werden weiterhin Investitionen in gigantomanische Infrastrukturprojekte, in Industrieanlagen oder Immobilien getätigt, obwohl die oft niemand braucht. Und so kommt es vor, dass man auf Autobahnen in der Provinz ziemlich alleine unterwegs ist oder durch neue Städte spaziert, denen die Menschen fehlen. Flächen auf 3,7 Milliarden Quadratmeter werden landesweit derzeit bebaut. Genug um in den nächsten vier Jahren die gesamte Nachfrage nach Wohnungen abzudecken ohne zusätzlich noch irgendetwas zu bauen.

Sinkende Ertragskraft

Die Folgen dieser Exzesse schlagen sich auch in der sinkenden Ertragskraft chinesischer Unternehmen nieder. Die Zeit zweistelliger Wachstumsraten ist jedenfalls vorbei so der Ökonom Michael Pettis: "Das Turbowachstum in den vergangenen Jahrzehnten war Wachstum wie auf Kokain. Wenn versprochene Reformen greifen, dann sollten wir ein wesentlich niedrigeres Wachstum sehen, ich rechne mittelfristig nur mehr mit drei Prozent. Aber das Wachstum wäre gesünder. Weniger Exzesse und dafür höhere Haushaltseinkommen und steigender Konsum."

Chinas Führer wissen das alles längst, sie wollen ein nachhaltigeres Wachstum. Doch ist der Weg dorthin steinig. Denn wenn wie jetzt die Industrieproduktion stagniert und die Exporte schwächeln, dann sind Vorsätze nach Reformen schnell vergessen. Und man schaufelt lieber Kreditgeld in neue Großprojekte. Das erzeugt zumindest auf dem Papier Wachstum. Ändert aber nichts daran, dass Chinas Wirtschaftsmodell, das 30 Jahre lang erfolgreich war, mittlerweile ausgedient hat.