Ägypten: Neuer Präsident Stunden nach Putsch
In Ägypten geht es nach dem Militärputsch heute Nacht Schlag auf Schlag: Nach dem Sturz und der Festnahme von Präsident Mursi und hochrangigen anderen Muslimbrüdern ist heute gleich der neue interimistische Nachfolger vereidigt worden - der bisherige Präsident des ägyptischen Verfassungsgerichts Adli Mansur. Doch die wahre Macht wird nicht in den Händen des Zwischenzeitpräsidenten liegen, sondern beim Militär.
8. April 2017, 21:58
(c) Saber,EPA
Mittagsjournal, 4.7.2013
Jurist als Übergangspräsident
Vor wenigen Minuten im Verfassungsgericht in Kairo: Mohamed Adli Mansur wird als neuer interimistischer Präsident des Landes vereidigt. Adli Mansur war erst vor wenigen Tagen zum Präsidenten des Obersten Verfassungsgerichts bestellt worden. Der Jurist hatte unter anderem die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Präsidentenwahl 2012 in Ägypten ausgearbeitet. In der Öffentlichkeit war er hingegen bisher nur wenig bekannt.
Und nun wurde er wohl auch für sich selbst überraschend über Nacht zum neuen Übergangspräsidenten des Landes erkoren. Wie lange er in diesem Amt sein wird, ist unklar. Die Militärmacht hat Neuwahlen angekündigt, einen genauen Termin aber nicht genannt.
Neuer starker Mann Al-Sissi
Wie auch immer, die Handlungsspielraum des neuen Zwischenzeitpräsidenten wird ohnehin nur mäßig ausgeprägt sein. Denn die wahre neue politische Schlüsselfigur, die derzeit die Fäden der Macht in der Hand hat, ist jemand anderer - nämlich der Oberbefehlshaber der Armee, Verteidigungsminister Abdul Fateh al-Sissi. Er hat den Sturz von Präsident Mursi vorangetrieben, um die Nation "vor dem dunklen Tunnel innerer Kämpfe zu bewahren", wie er wörtlich vor wenigen Tagen sagte.
Al-Sissi gilt als strategischer Kopf, als scharfer Analytiker, gleichzeitig ist er tief religiös, seine Frau trägt den Niqab, die Ganzkörperverschleierung, er ist von einem tief islamischen Weltbild geprägt. Al-Sissi wurde immer Nähe zu den Muslimbrüdern nachgesagt.
Vor einem Jahr erst wurde er zum neuen Oberbefehlshaber der Armee und mit seinen damals 57 Jahren zum jüngsten Verteidigungsminister Ägyptens ernannt. Und zwar von dem damals frisch gewählten Präsidenten Mohamed Mursi. Seine Ernennung galt damals als Signal des Generationenwechsels innerhalb der ägyptischen Armee. Zweifelhafte Bekanntheit erhielt al-Sissi dann aber, als er die sexuellen Übergriffe der Soldaten auf Demonstrantinnen und die sogenannten Jungfrauentests rechtfertigte. Erst später distanzierte er sich von diesen Aussagen.
Außenpolitisch ist al-Sissi nicht schlecht verankert. Ihm werden ausgezeichnete Beziehungen zu den USA nachgesagt, konkret zum US-Verteidigungsministerium. Einen Teil seiner militärischen Ausbildung erhielt al-Sissi auch in den USA.
Wie er die Zukunft Ägyptens sich nun konkret vorstellt: Eine starke Expertenregierung, die Ägypten durch die jetzigen Turbulenzen führt, will Al-Sissi. Und die bisherige, stark von den Muslimbrüdern geprägte Verfassung ist vorerst aufgehoben.