Ägypten wirtschaftlich am Boden

Aus europäischer Sicht wird der Kampf gegen Präsident Mursi oft als Kampf gegen die Islamisierung gesehen. Aber was das Volk der Führung vorwirft, ist wirtschaftspolitische Unfähigkeit: Ägypten ist wirtschaftlich am Boden. Und das wird sich nicht so rasch ändern - auch deshalb, weil der Tourismus unter dem politischen Umbruch in Ägypten leidet.

Mittagsjournal, 3.7.2013

Probleme mit Mobilisierungspotenzial

Bei den vergangenen Demonstrationen am Tahrir-Platz in Kairo hat Mahmoud Yasser das ausgesprochen, was viele seiner Landsleute denken: "Wir wollen das nicht mehr! Benzin gibt es keines, Wasser oder Strom auch nicht. Was sollen wir tun? Wir können nicht essen, wir können so nicht leben!"
Was Mahmoud Yasser am eigenen Leib spürt, das nennen ägyptische Finanzexperten die schlimmste Wirtschaftskrise seit der großen Depression 1930. Der Alltag wird für viele Ägypter immer mehr zum Kampf, sagt auch die Nina Prasch, Leiterin der deutschen Hanns-Seidl-Stiftung in Kairo: Bis zu zwei Tage anstehen für Benzin, Lebensmittel binnen weniger Tage um 30 Prozent teurer, gehäufte Stromausfälle - "das sind Dinge, die direkt in den Alltag der Leute eingreifen und deswegen auch so ein Mobilisierungspotenzial haben."

Von Importen abhängig

Die Bilanz der Regierung Mursi ist tatsächlich bitter: 13,5 Prozent der Ägypter sind arbeitslos. Fast die Hälfte der rund 80 Millionen Einwohner lebt von weniger als zwei Dollar pro Tag. Die Inflation liegt seit zwei Jahren bei über acht Prozent. Zusätzlich leidet der ägyptische Haushalt noch unter den Kosten für die Einfuhr von Treibstoff und Weizen. Denn das Land muss mehr als die Hälfte seines Getreides importieren. Und das kostet immer mehr, denn die Talfahrt des ägyptischen Pfunds im Vergleich zum Dollar verteuert die Importe. Dass Ägypten trotzdem zahlungsfähig ist, hatten die Muslimbrüder bisher den Finanzhilfen aus befreundeten Staaten wie der Türkei, Libyen und vor allem Katar zu verdanken.

Ringen um IWF-Kredit

Doch dieses Geld reicht nicht: Seit mehr als einem Jahr verhandelt die Führung in Kairo mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über einen Kredit in der Höhe von 4,8 Milliarden Dollar. Aber dafür fehlt ein ägyptisches Wirtschaftsprogramm. Und nach dem Sturz von Mohammed Mursi rückt auch der IWF-Kredit in die Ferne, weil einfach keine verhandlungs- und abschlussfähige Regierung existiert, sagt Nina Prasch.

Stabilität nötig

Fraglich ist auch, wann die einst so stolze Tourismusbranche in Ägypten wieder auf die Beine kommen soll. Seit dem Ende der Mubarak-Ära ist sie um 30 Prozent eingebrochen. Zwar seien die Hotelanlagen am Roten Meer nach wie vor gut gebucht, doch in Städten wie Kairo, Luxor oder dem Niltal ließen sich Touristen nur noch vereinzelt blicken, sagt ein Berater des ägyptischen Tourismus-Minister. Und das, obwohl die Preise dort um 20 bis 30 Prozent gefallen sind.
Die zukünftigen Machthaber in Ägypten treten ein wirtschaftlich hartes Erbe an. Sie brauchen jetzt mehr als gute Freunde, die ihnen finanziell unter die Arme greifen, nämlich tiefgreifende Reformen und vor allem Stabilität.

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