Lehrerdienstrecht: "Falsches Konzept"
Heftige Kritik an den Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht übt Bildungsexperte Andreas Salcher, Buchautor und Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule in Wien. Die Schüler kämen in den Gesprächen überhaupt nicht vor, so Salcher im Ö1-Morgenjournal.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.7.2013
Bildungsexperte Andreas Salcher im Gespräch mit Cornelia Vospernik.
Falsches Konzept von Anfang an
Die langfristigen Interessen der Schüler seien klar, so Salcher: Sie brauchten Lehrer, die auch am Nachmittag an der Schule sind. Es gehe um den Aufbau der menschlichen Beziehungen, das unterscheide die guten Schulen von den schlechten. Die Regierung sei von Anfang an mit dem falschen Konzept in die Verhandlungen gegangen. Denn sie halte am 50-Minuten-Takt der Unterrichtseinheiten fest. Und das sei "der Todfeind der individuellen Begabungsförderung". Außerdem verhindere die Koppelung der 50-Minuten-Einheit an das Lehrergehalt, dass sich der Lehrer wertschätzend um die entscheidenden Dinge kümmere, nämlich die gemeinsame Vorbereitung der Lehrerschaft sowie um den Aufbau der Beziehungen zu Schülern und Eltern. Die Lehrer sollten von acht bis 16 Uhr an der Schule sein - mit "ordentlichen" Arbeitsplätzen. Diese könnten durchaus eingerichtet werden, bis das neue Dienstrecht in Kraft wäre, so Salcher.
Am Weg zum teuersten System
Auch von den Kosten her lässt Salcher kein gutes Haar am Bildungssystem: "Wir haben tatsächlich das viertteuerste Schulsystem der Welt und sind auf dem Weg zum teuersten Schulsystem, wenn die Neue Mittelschule mit verpflichtend zwei Lehrern in den Hauptgegenständen umgesetzt wird." Was es auch so teuer mache, sei ein System an Klein- und Kleinstschulen. Dazu komme, dass das Schulsystem "in der Geiselhaft der politischen Parteien" sei wie in keinem anderen demokratischen Land. Bei den Verhandlungen gehe um den Machterhalt, was aber zur Qualität der Schule nichts beitrage.
Österreich habe zwar keine schlechten Lehrer, aber ein schlechtes Lehrer-Auswahlsystem: "Wenn ich die Anzahl der Lehrer künstlich verknappe, dann muss ich jeden nehmen." Zugleich gebe es für die Pädagogischen Hochschulen nur geringe Einstiegshürden und für AHS-Lehrer gebe es überhaupt kein Auswahlsystem. Da seien die Finnen weit voraus, die nicht nur auf das Fachliche, sondern auch auf das Menschliche schauen.
"Schwaches Zentrum"
Wichtig wäre für den Bildungsexperten auch die Autonomie der Schulen, die aber durch das aktuelle Konzept nicht unterstützt werde. Seine Sorge: Dass jeder einzelnen Schule genau vorgegeben wird, wie viel Stunden sie in welchem Bereich machen kann. Ein gutes Schulsystem zeichne sich durch ein starkes Ministerium im Zentrum und viel Macht in den Schulen aus - "und nichts dazwischen". In Österreich sei das genau umgekehrt, so Salcher:" Wir haben ein schwaches Zentrum, einen aufgeblähten Mittelapparat im Bereich der Länder und der Verwaltung, und die einzelnen Schule hat wenig Autonomie. Diese Pyramide muss man umdrehen und an die oberste Stelle die Frage stellen, was ist gut für den Schüler."