Ägypten: Muslimbrüder beschuldigen Armee

Die Lage in Ägypten wird zunehmend unübersichtlich. Die Zahlen, wie viele Menschen bei den jüngsten Krawallen getötet und verletzt wurden, widersprechen einander. Die Angaben schwanken zwischen zehn und achtzig Toten. Sprecher der Muslimbrüder beschuldigen die Sicherheitskräfte, absichtlich auf sie zu zielen, um sie zu töten.

Mittagsjournal, 27.7.2013

Krankenhaus in Nasr-City bereits überfüllt

Im Kairoer Stadtteil Nasr-City herrscht heute Vormittag pures Chaos, Verwundete werden hektisch zur Erstversorgung gebracht, Ärzte versuchen schwerverletzte Demonstranten auf den Fußböden zu reanimieren. Ein Raum ist voll mit Leichen, die in weiße Bettlaken gehüllt auf dem Boden nebeneinander liegen. Die Rettungskräfte sind heillos überfordert. "Die Verletzungen in Bauch, Rücken und Beinen stammen vom scharfer Munition", sagt Mohamed Menasy einer der Ärzte.

Das provisorische Krankenhaus in Nasr-City musste mittlerweile wegen Überfüllung geschlossen werden. Dort sind Medikamenten und Verbandszeug ausgegangen. Wie viele Mursi-Anhänger bei den Angriffen der Polizei heute getötet wurden, ist nicht klar: Die Muslimbrüder sprechen von mindestens siebzig, die staatliche Nachrichtenagentur Mena von nur zehn Toten.

Muslimbrüder: "Polizei versucht, uns zu töten"

Begonnen haben die Ausschreitungen, als Mursi-Anhänger eine Brücke mit Sandsäcken absperren wollen. Zuerst setzt die Polizei Tränengas ein, dann eröffnet sie das Feuer auf die Demonstranten. Ein Sprecher der Muslimbrüder sagt, die Polizei hätte nicht versucht sie zu verwunden, sondern zu töten.

Schon gestern Nachmittag folgten hunderttausende Ägypter sowohl den Aufforderungen des Militärs als auch denen der Muslimbrüder, die zu Großdemonstrationen aufgerufen haben. Bei Zusammenstößen der verfeindeten Gruppen in der Hafenstadt Alexandria beschießen sich die Demonstranten mit Molotowcocktails, Steinen und Feuerwerkskörpern. Laut Angaben des Gesundheitsministeriums sterben dabei sieben Menschen.

Mursi in Untersuchungshaft

Gestern Früh wurde die Stimmung der Mursi- Befürworter noch zusätzlich angeheizt, denn die ägyptische Justiz nahm den bereits verhafteten Ex-Präsidenten Mohammed Mursi nun offiziell in eine zweiwöchige Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, unter der Herrschaft des Ex-Diktators Hosni Mubarak gemeinsam mit der palästinensischen, radikal-islamischen Hamas Anschläge auf Polizeistationen und Gefängnisse geplant zu haben.

Trotz der steigenden Zahl der Todesopfer seien viele Muslimbrüder entschlossen, ihren Protest weiterzuführen, sagt Mohammed Al Beltaji, eines der Mitglieder: "Wir sind hier in friedlichem Protest. Wir haben das Recht dazu, der ganzen Welt zu sagen, dass alle Ägypter das Recht haben, ihren Präsidenten zu wählen, ein Parlament und eine Verfassung. Kein Militär hat das Recht, eines Tages aufzuwachen und plötzlich für die Menschen zu entscheiden, wer in der Regierung sitzt."

Die Stimmung in Ägypten ist nach den aktuellen Ereignissen von Angst erfüllt, doch viele befürchten, dass das Schlimmste noch bevorsteht.