Ein Jahr nach Pussy Riot-Urteil

Heute vor einem Jahr sind in Russland drei junge Frauen zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden, weil sie in einer Kirche ein Putin-kritisches Lied gesungen haben. Direkt nach den Urteilen gegen die Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot gab es weltweit Proteste. Inzwischen ist es um Pussy Riot ruhig worden. Und der Kreml hat nach kritischen Künstlern bereits die nächsten Gegner aufs Korn genommen.

Morgenjournal, 17.8.2013

Streit statt Befreiungsschlag

Es hätte eine Art künstlerischer Befreiungsschlag sein sollen. Das neue Video der Punk-Band Pussy Riot, das vor einem Monat im Internet veröffentlicht wurde. Zu sehen sind junge Frauen mit den charakteristischen bunten Masken auf Ölpipelines und Gasfeldern.

"Es gibt keine Hoffnung, dass es zu einem und friedlichen Wechsel kommt. Die Leute an der Macht kleben an den Öl-Pipelines. Sie werden nicht von sich aus gehen sondern im Gegenteil die Schrauben anziehen!", erklärt das Bandmitglied Grelka bei einem Interview mit verstellter Stimme. Doch statt Aufmerksamkeit auf ihr Anliegen zu lenken zeigte es den Streit, der inzwischen im Lager von Pussy Riot und den Anhängern ausgebrochen ist: Sie habe nichts von dem Lied gewusst, erklärte Ekaterina Samuzevich, die einzige der drei Verhafteten, die nur zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden war. Es folgte ein Hin- und Her von Beschuldigungen. Von ihren ursprünglichen Anwälten haben sich inzwischen alle drei Frauen getrennt, auch das mit öffentlichen Beschuldigungen und Beschimpfungen.

Nadja Tolkonnikova und Maria Aljechina sitzen inzwischen ihre Haft in verschiedenen Straflagern ab, Aljechina wurde verlegt weil sie gegen die Lagerregeln verstoßen haben und von anderen Häftlingen angegriffen worden sein soll. Alle Berufungen wurden abgewiesen, obwohl beide Frauen kleine Kinder haben, was laut russischem Recht eigentlich zu einem Haftaufschub führen sollte. Nadja Tolkonnikova gab sich bei der Abweisung der letzten Berufung kämpferisch: Ich habe meine Schuld nie zugegeben und werde das auch nicht. Ich habe meine eigene Meinung und Überzeugung und werde sie bis zum Schluss verteidigen.

Zu einer vorzeitigen Entlassung dürfte es also nicht kommen und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, bei dem die Frauen das Urteil angefochten haben dürfte sein Urteil erst fällen, wenn sie ihre zweijährige Haftstrafe bereits abgesessen haben. Dem Regime von Wladimir Putin hat er Fall Pussy Riot hingegen politisch genützt. Die Protestbewegung wurde gespalten, weil ein Teil der Opposition nicht für - wie es heißt - gotteslästerliche und unmoralische junge Frauen auf die Straße gehen wollte.

Die Duma hat ein Gesetz beschlossen, das die Beleidigung religiöser Gefühle unter Strafe stellt - zum Beifall der Führung der russisch-orthodoxen Kirche die inzwischen praktisch zum Teil des herrschenden politischen Systems geworden ist. Und die Führung hat sich bereits den nächsten Konfliktpunkt mit dem westlichen Ausland ausgesucht. Nachdem kritische Künstler praktisch mundtot gemacht worden sind hat sie jetzt Homosexuelle aufs Korn genommen, ein Streit der rund um die olympischen Spiele in Sotschi eskalieren dürfte. Der Kreml weiß die konservative Mehrheit des Landes hinter sich und wird nicht zögern die Kritik aus dem Westen innenpolitisch zu seinen Gunsten auszunützen.