Italien: Regierungskrise entschärft
Die italienische Regierung steht weiterhin auf wackeligen Beinen. Koalitionpartner Silvio Berlusconi droht sie zu stürzen, sollte er wegen der Verurteilung sein Parlamentsmandat verlieren. Am vergangenen Wochenende sind die Schlachtrufe der Hardliner in seiner Partei bedrohlich angeschwollen, und es schien, als stünde das Ende der Koalition unmittelbar bevor. Gestern hat sich der Wind aber wieder gedreht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.8.2013
Zeichen standen schon auf Neuwahl
Silvio Berlusconi sitzt seit bald drei Wochen eingebunkert in seiner Villa in Arcore, - und schweigt. Wer redet sind seine Getreuen, die ihn umgeben: "Ein Ausschluss Berlusconis aus der Politik ist undenkbar und verfassungsrechtlich inakzeptabel" kam am Wochenende ein Kommuniqué aus ihren Reihen.
Berlusconi habe bereits entschieden, erklärte Daniela Santanchè, eine seiner glühendsten Gefolgsfrauen, die Regierung werde stürzen und es werde neu gewählt - es sei denn, der Koalitionspartner sorgt dafür, dass Berlusconi sein Parlamentsmandat behält und in der Politik bleiben kann.
Wir lassen uns nicht erpressen, beförderte die Demokratische Partei das Ultimatum zurück an den Absender. Die politische Unsicherheit nahm zu und! - schreckte gestern schließlich die Finanzmärkte auf: Die Mailänder Börse brach als einzige Börse Europas deutlich ein, die Zinsen auf italienische Staatsanleihen kletterten nach oben und - vor allem - die Aktie auf Berlusconis Media-set-Imperium rauschte um 6 Punkte bergab.
Senats-Mandat wackelt
Stimmungswechsel in der Villa in Arcore. Über die Homepage seiner Partei pfiff Berlusconi seine Leute zurück. Der Impuls, alles umzuschmeißen, schien gedämpft. Für Berlusconi, sagt Paolo Mieli, Publizist und Herausgeber des Corriere della Sera am Abend in einem Rai-Interview hat sich die Entscheidung für Koalition und Stabilität ausgezahlt: Seit Premier Letta im Amt ist, hat Mediaset eineinhalb Milliarden verdient, die Aktie hat in den vier Regierungsmonaten 80 Prozent zulegt, und heute in wenigen Stunden fast ein Zehntel wieder verloren.
Also wozu, so Mieli, jetzt den Tisch kippen, wie es die Aufgeregtesten der Berlusconi- Mitarbeiter wollen? Um was zu erreichen? Um an der Börse erneut eine Menge Geld zu verlieren und Wahlen zu schlagen, die Berlusconi meines Erachtens nur sehr, sehr schwer gewinnen kann.
Der Corriere-Herausgeber zählt zu jenen, die davon ausgehen, dass die Regierung die Stürme rund um Berlusconi überleben wird. Und Berlusconi? Berlusconi wird bis Ende Oktober entweder ins Gefängnis gehen, oder in Hausarrest oder Sozialdienste leisten, er kann entscheiden, aber da muss er durch, das ist die Wahrheit.
Die Horrorvision für Berlusconi und die Seinen ist vorerst aber die drohende Aberkennung seines Mandats im Senat. Ab 9. September muss sich der zuständige Senats-Ausschuss damit befassen.
Aber es wäre nicht Italien mit seinen komplizierten Gesetzen und unzähligen Interpretationsmöglichkeiten: je näher der Termin rückt, desto mehr gewinnt die Diskussion an Fahrt, dass das zugrunde liegende Gesetz, auf Berlusconi nicht anwendbar sein könnte. Der Verfassungsgerichtshof müsste prüfen - und es wäre wieder viel Zeit gewonnen.