Italiens Autoindustrie am Boden
Italiens Städte sind in diesen Tagen wie ausgestorben. Fabriken, Betriebe, Restaurants und Bars haben geschlossen. Der Krise zum Trotz suchen die Italiener auch dieses Jahr im heißen August Erholung am Meer oder in den Bergen. Doch auf vielen Ferragosto-Urlaubern lastet die Sorge, ob sie nach den Ferien auch an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Vor allem in der Automobilindustrie droht ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.8.2013
Nur Spitzenklasse floriert
Italiens Auto-Industrie ist ein Spiegelbild der sozialen Krise: Das obere Segment floriert - doch unten bröckelt die Mittelklasse weg.
Die Nachfrage nach den sündteuren roten Ferraris ist so stark, dass die Produktion gedrosselt wurde, um die Exklusivität des Sportwagens zu bewahren. Maserati, ebenfalls eine Edel-Marke für betuchte, expandiert.
Aber wenn es zur Kompaktklasse kommt, fehlen die Käufer. Um 20 Prozent ist der Autoabsatz im letzten Jahr eingebrochen und es geht weiter abwärts. Auch in der Entwicklung herrscht Stillstand. Die Marke Lancia verschwindet leise, Alfa Romeo und vor allem FIAT hinken der Konkurrenz hinterher.
Auslastung am historischen Tiefststand
Im Turiner Stammwerk von FIAT, Mirafiori, waren in den besten Zeiten 70.000 Arbeiter beschäftigt. Jetzt sind es 5.500. Die Auslastung des Werks liegt auf einem historischen Tief, weit unter der Gewinn-Schwelle. Immer mehr Arbeiter werden zwangsbeurlaubt, bekommen ein paar Hundert Euro fürs Nichtstun. Der Staat zahlt den Lohnausgleich. Niemand weiß, wie lange noch. Und jeder fürchtet, dass FIAT das Werk schließt: Hier drinnen muss eine Revolte passieren, sagt eine Betriebsrätin, die Arbeiter müssen ihre Köpfe erheben - um dann hinzuzufügen: Leider herrscht Angst. Viele arbeiten nur drei oder vier Tage im Monat, und fürchten, dass man sie dann gar nicht mehr ruft.
Die Gewerkschaften beschuldigen FIAT-Chef Sergio Marchionne. Der Italo-Kandier führt den Konzern seit zehn Jahren. Sein Meisterstück war der Kauf des maroden amerikanischen Chrysler-Konzerns, den er saniert hat und der jetzt Fiats Verluste kompensiert.
Marchionne vertritt einen amerikanischen Management-Stil, der mit der Tradition des italienischen Kapitalismus schwer vereinbar ist. Ständig ringt er mit den linken Gewerkschaften, entlässt Betriebsräte und muss sie auf Gerichtsbeschluss wieder einstellen und rächt sich mit neuen Entlassungen. Viele halten ihm vor, FIAT mit unattraktiven Modellen herabgewirtschaftet zu haben. Er kontert: der Markt ist das Problem: Es herrscht Armut in Italien, und das hat nichts mit FIAT zu tun, sondern ist ein Strukturproblem, das die Regierung lösen muss.
Und Marchionne betont, dass seine Arbeiter noch Glück haben: Ford hat sein Werk in Belgien und zwei in Großbritannien geschlossen, General Motors hat Antwerpen zugemacht und Peugeot schließt eines bei Paris - wir sind die einzigen in der Autoindustrie die kein Werk geschlossen haben.
Vor drei Jahren hat Marchionne einen großen Plan angekündigt. 20 Milliarden sollten investiert werden, um Fiat wieder wettbewerbsfähig zu machen. Der Plan ist gestorben. Dafür wächst die Gefahr, dass der Konzern Italien als Produktionsstätte verlässt. Auch wenn Marchionne das Gegenteil behauptet. denn gleichzeitig erklärt er: die Chancen auf einen Aufschwung liegen außerhalb Italiens, ja außerhalb Europas.
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