Iran: Zwischen Öffnung und Sanktionen

Die Wirtschaftssanktionen des Westens gegen den Iran haben vor allem die Bevölkerung getroffen. Viele Iraner hoffen jetzt, dass es nächste Woche - bei der nächsten Verhandlungsrunde über das iranische Atomprogramm - zu einem spürbaren Fortschritt kommt.

Dass die Sanktionen bald gelockert werden, ist aber nicht sehr wahrscheinlich - denn da hat außer Präsident Obama auch der amerikanische Kongress mitzureden. Und auch die reiche Elite im Iran hat es nicht ganz so eilig, zu einer Verständigung mit dem Westen zu kommen.

Mittagsjournal, 12.10.2013

Zwei bis dreihunderttausend Euro kosten die Autos, die Hassan an wohlhabende Iraner verkauft. Über zu wenig Kunden kann er sich nicht beklagen.
Während immer mehr iranische Familien Probleme haben, Woche für Woche zu überleben, boomt der Handel mit weiß lackierten Luxusschlitten.
‚Früher haben reiche Iraner ihre teuren Autos versteckt und sind lieber mit Kleinwägen unterwegs gewesen‘, erzählt Hassan. Bei einer Probefahrt, denn im Geschäft will er über dieses Thema nicht reden. ‚Jetzt wollen sie herzeigen, was sie haben. Sportwägen mit nur 2 Türen haben sich früher nicht so gut verkauft, weil die Kunden wenn schon, dann lieber familienfreundliche Fahrzeuge hatten. Jetzt kaufen sie Sportwägen um 300.000 Dollar für ihre Kinder.‘

Die neuen Reichen, die nichts mehr verstecken wollen, sind unter Präsident Ahmadinejad zu sehr viel Geld gekommen. Weil sie die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran für sich
nutzen konnten. Über Mittelsmänner im Ausland können sie weiter ungestört ihre Geschäfte abwickeln. Das Geld bleibt ohnehin außerhalb des Landes. Aber werden diese Krisengewinner nicht alles tun, um eine Entspannung mit dem Westen zu verhindern? Nein, meint der Ökonom Saaed Leylaz, im Gegenteil. Wer genug Geld hat, wünscht Stabilität. Diese Leute sind zwar durch die instabilen Verhältnisse unter Ahmadinejad groß geworden. Aber als reich gewordene Klasse wollen sie diese Instabilität nicht mehr.

Saaed Leylaz gehört zu jenen Intellektuellen, die 2009 verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Das war nach den gefälschten Präsidentenwahlen, als der selbst ernannte Sieger Ahmadinejad die Grüne Protest-Bewegung niederschlug.

Während der kritische Ökonom im Gefängnis saß, hat die iranische Mittelschicht einen ständigen Abstieg erlebt. Doch mit den Sanktionen gegen den Iran habe das wenig zu tun. Das Problem sei mindestens hundert Jahre alt, meint Saaed Leylaz: Im Iran ist der Anteil des Erdöls an der Wirtschaft nicht so groß wie in Saudi Arabien oder den Arabischen Emiraten, aber nicht so klein wie in Indonesien oder Algerien. Das bedeutet: Mithilfe der Öleinnahmen kann eine Regierung sich über die Gesellschaft hinwegsetzen, sie kann despotisch regieren, braucht auf Steuerzahler keine Rücksicht zu nehmen. Aber die Öleinnahmen reichen nicht, um allein damit das Land am Laufen zu halten.

Die Sanktionen gegen den Iran sind noch nicht einmal gelockert, da wetteifern schon amerikanische und europäische Großkonzerne um die besten Startplätze im neuen Iran.

Sollten auch die Öldollars bald wieder ungehindert in den Iran fließen, könnte
das bedeuten, dass nicht nur längst fällige Strukturreformen weiter hinausgeschoben
werden, sondern auch die erhoffte Demokratisierung: Vielleicht werden wir jetzt für kurze Zeit das russische Modell haben. Dass eine sehr reiche Elite alles und jedes kontrolliert. Aber ich glaube dass wir das Problem lösen können. Wir mögen keinen Despotismus mehr – weder den Ahmadinejads noch den Putins.

Die Mittelschicht erhofft von einer Aufhebung der Sanktionen, dass die Inflation dann nicht ganz so schnell dahingaloppieren wird. Viele müssen in letzter Zeit zwei oder mehr Jobs annehmen, weil sie mit einem Gehalt nicht auskommen.