Rechtsanwälte: Rechtsstaat hat "Fieber"

Auch heuer wieder machen die Rechtsanwälte gegen Jahresende auf zahlreiche Zu- und Missstände bei Gerichten, Staatsanwaltschaften sowie in der Justizpolitik aufmerksam: Der sogenannte Wahrnehmungsbericht des Rechtsanwaltskammertages liegt vor. Von einer "Fieberkurve" des Rechtsstaates spricht Anwältepräsident Rupert Wolff - und will damit wohl ausdrücken, dass "gesund" etwas anderes ist.

Mittagsjournal, 10.12.2013

"Gieriger" Staat

Es sind Einzelfälle, beeilen sich die Rechtsanwälte zu betonen - aber diese Einzelfälle haben's in sich, erzeugen Frust und kosten den betroffenen Staatsbürger manchmal viel Geld, bis hin zur wirtschaftlichen Existenzgefährdung. Angefangen vom nach wie vor unverändert viel zu geringen Kostenersatz für freigesprochene Ex-Angeklagte -Stichwort: Tierschützerprozess - bis hin zu den Gebühren: Die breite Mittelschicht müsse genau prüfen, ob sie sich den Gang zu Gericht überhaupt leisten kann, formulieren die Anwälte. Standespräsident Präsident Rupert Wolff: "Warum sind die Gerichtsgebühren so hoch? Sie sind deshalb so hoch, weil unser Staat eine Gier nach Mehreinnahmen entwickelt hat."

Schmankerl aus dem Gebührenkatalog

Wer jemanden adoptiert, muss ein Prozent seines Vermögens hergeben. Wer jemand anderen auf 500 Millionen klagt - Stichwort Linz-BAWAG - zahlt 1,2 Millionen Euro ans Gericht. Und was bekommt der Rechtsunterworfene dafür vom Staat? Jedenfalls manchmal kein gutes Service, meinen die Anwälte: Das Landesgericht Feldkirch habe einem Verfahrenshilfe-Verteidiger nicht einmal die Fahrtkosten abgelten wollen, mit dem Hinweis der Bund zahle den Anwälten ohnehin in die Pensionskasse. Am Landesgericht Wels würden Anträge zurückgestellt, die zu lange vor einer ersten Verhandlung eingebracht wurden. In Tirol habe sich ein Gericht geweigert, wegen drohender Terminkollision eine Verhandlung zu verschieben - mit dem Hinweis, das andere Gericht könne ja seine Verhandlung genauso gut verschieben.

Öffentlich aufzeigen, das ist die vorrangige Konsequenz, die die Rechtsanwälte-Vertreter ziehen wollen. Ob denn da nicht auch Amtshaftungsklagen oder Amtsmissbrauchs-Anzeigen gegen seltsame Gerichtsbedienstete mit nicht minder seltsamen Amtshandlungen eingebracht werden sollten? Machen wir ohnehin, sagt Anwälte-Vizepräsidentin Marcella Prunbauer-Glaser, aber - und da sind wir wieder bei den Kosten, alles hat seine Grenzen: "Es gibt zahllose Amtshaftungsklagen. Aber eine Amtshaftungsklage muss ein Geschädigter auf eigenes Risiko einbringen, sofern er nicht so wenig Vermögen besitzt, dass er eine Verfahrenshilfe bekommt." Von einer Beißhemmung der Anwälte gegens Justizpersonal könne jedenfalls keine Rede sein, versichert Anwaltskammertags-Präsident Rupert Wolff.