Italien: Proteste bekommen Zulauf von Rechts

Revolte gegen die Krise in Italien: Protestierende blockieren Autobahnzufahrten und Bahnhöfe, lähmen mit Sitzstreiks Stadtzentren, und vom Norden bis zum Süden Italiens kommt es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Jetzt fürchten die Organisatoren des Protests, dass rechtsrechte Gruppen die Führung der Protestbewegung übernehmen.

Mittagsjournal, 16.12.2013

Durch Wut geeint

Italien blickt erschrocken auf eine Rebellion, die seit vergangener Woche Straßen und Schlagzeilen beherrscht, unter dem Stichwort "I Forconi", die "Mistgabeln". Ihren Ursprung hat die Bewegung in Sizilien, wo im Vorjahr Lkw-Fahrer, Bauern und Fischer aus Protest gegen die hohen Transportkosten die ganze Region lahmgelegt haben.

Auch jetzt sind es wieder vor allem Einzel- und Kleinunternehmer, Landwirte, Handwerker und Arbeitslose, die die Krise am eigene Leib spüren und in ihrer Existenz bedroht sind. Sie sind nicht gewerkschaftlich organisiert und fühlen sich auch von keiner politischen Partei vertreten. Was sie eint ist ihre diffuse Wut auf das System, die EU, die politische Klasse: "Unsere Kinder haben keine Zukunft mehr", schreit einer ihrer Anführer in Turin, "und eine delegitimierte Klasse privilegierter Parasiten ist noch immer da! ... Weg mit ihnen! Aus ganz Italien gehen wir nach Rom!"

Kundgebung in Rom geplant

"Nach Rom", das weckt hier in Italien eine düstere Assoziation. Mit seinem Marsch auf Rom hat zu Beginn der 20er-Jahre Mussolinis Machtergreifung begonnen. Auch damals waren es die Verlierer der Nachkriegskrise, die auf seinen Karren aufgesprungen sind. Und in der Tat zieht der Aufstand der "Forconi" den rechten extremistischen Rand an. Militante neofaschistische Gruppen, gewaltbereite Ultras der Fußballszene, Anarchos und Autonome. Von dieser Welle ermutigt haben gestern Mitglieder der neofaschistischen Casa-Pound-Organisation hier in Rom versucht, die EU-Vertretung zu stürmen und die Europafahne herunterzuholen. Die Polizei griff ein und verhaftete den Anführer.

Für übermorgen Mittwoch ist die große Protestkundgebung in Rom nun geplant. Aber das zunehmend explosive Potential der rebellierenden Massen hat die Bewegung gespalten. Der Anführer ihres ursprünglichen Kerns hat die Teilnahme seiner Anhänger abgesagt. "Uns beunruhigt die schwere Luft in Rom und die extremistischen Infiltrationen aller Art. Wir wollen nicht instrumentalisieren und unsere Leute nichts ins Chaos hetzen lassen und hoffen für die anderen, dass es in Rom nicht ausartet wie letzte Woche in Turin."

Opposition hofft

Aber nicht nur außerparlamentarische extremistische Gruppen spüren Aufwind. Auch einige von Italiens Parteien wittern in dem Aufstand einen Nutzen für ihre Zwecke: der Protestpolitiker Beppe Grillo, der offen sympatisiert; die rechte Lega Nord und Silvio Berlusconis Forza Italia; ihnen ist alles recht, was die Regierung von Premier Letta in Schwierigkeiten bringt. Ihr muss es nach Monaten des Stillstands endlich gelingen, glaubwürdige Antworten auf den Tisch zu legen.