Deutsche Energiewende braucht Reform

In Deutschland hat die großzügige Förderung erneuerbarer Energie auch große Probleme aufgeworfen, wenn es um die Verteilung des Stroms und um die Verteilung der finanziellen Lasten geht. Auch die EU hat Bedenken angemeldet, und so herrscht für Deutschlands neue Regierung auf dem Energiesektor akuter Handlungsbedarf.

Mittagsjournal, 3.1.2014

Teurer statt grüner

Keine Frage, das Thema hat allerhöchste Priorität. In ihrer Neujahrsansprache hat Bundeskanzlerin Angela Merkel es gleich nach der Bewältigung der Finanzkrise erwähnt, in der Liste der heißen Eisen, die Deutschlands neugebildete Regierung jetzt in den Händen hält. Die Energiewende zum Erfolg zu führen, darauf komme es an. So hat es die Kanzlerin formuliert, und damit indirekt auch zugegeben, dass von Erfolg bisher keine Rede sein kann. Die Energiewende wird ständig beschworen, auch deshalb, weil sich Deutschland nach der Atomkatastrophe von Fukushima auf einen beschleunigten Abschied von der Kernenergie festgelegt hat. Aber bei ihrer praktischen Umsetzung hakt es gewaltig. Zwar sind Anlagen, in denen Strom aus Sonnenlicht und mit Windkraft produziert wird, in rasantem Tempo ausgebaut worden, aber weil sie den Strom unregelmäßig und oft an falschen Orten liefern, müssen alte Kohlekraftwerke zu ihrer Stützung mitlaufen, mit dem paradoxen Ergebnis, dass allen Alternativen zum Trotz jetzt mehr Kohlendioxid in die Luft geblasen wird als je zuvor. Damit ist der Strom nicht grüner geworden, sondern nur teurer, mehr als sechs Cent pro Kilowattstunde müssen Stromkunden als Ökostromabgabe dazuzahlen, doppelt so viel wie noch vor einem Jahr.

"Anarchische Zustände"

Jetzt soll ein neuer Mann nach Auswegen aus dem Energiechaos suchen. Siegmar Gabriel, SPD- Chef und Deutschlands Vizekanzler, ist Minister für Wirtschaft und Energie geworden, dazu ist auch das Umweltministerium in den Regierungsverhandlungen der SPD zugefallen, SPD-Leute in der Regierung müssen gemeinsam am dicksten Brett bohren. Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht Großes auf sich zukommen: "Wir reden von der größten wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderung seit der Wiedervereinigung. Dass das nicht ganz einfach ist, das ist klar. Aber in den letzten Jahren gab es fast schon anarchische Zustände. Alle haben mitgemacht, aber es gab keine gemeinsame Linie. Wir werden die ganze Energiewende vom Kopf auf die Füße stellen müssen." Der bisher bunt wuchernde Ausbau alternativer Energien soll leicht gebremst werden, das hat den neuen SPD- Leuten in der Regierung schon den Vorwurfe von grüner Seite eingetragen, sie seien zu stark mit der Kohleenergielobby im Bunde.

EU-Verfahren eröffnet

Aber auch eine andere Lobby war sehr aktiv in den letzten Jahren, jene der Strom-Großbezieher. Wer in Deutschland besonders viel Strom verbraucht, kann sich von der Ökostromabgabe befreien lassen, dieses Privileg nutzen Metallschmelzen genauso wie etwa große Schlachthöfe und Gärtnereien und auch die Straßenbahnen großer Städte. Die EU hält das für Wettbewerbsverzerrung und hat ein Verfahren gegen Deutschland eröffnet, eine weitere Baustelle für den frischgebackenen Energiewendeminister Sigmar Gabriel, der versprochen hat, bis Ostern zumindest zu einem Reformansatz zu finden.