Politisches Manöver: Erdogan versetzt hunderte Polizisten

Die Türkei sorgt seit Wochen wegen eines riesigen Korruptionsskandals international für Schlagzeilen. Jetzt hat Ministerpräsident Erdogan mehrere hundert Polizisten versetzt oder entlassen. Politische Beobachter sprechen von einem geschickten, politischen Manöver, den Korruptionsskandal in den Hintergrund zu drängen.

Erdoganplakate

(c) Bozoglu, EPA

Mittagsjournal, 7.1.2014

Klaus Webhofer, Christian Schüller

Erdogan will anderes Thema aufs Tapet bringen

Das islamisch-konservative Lager in der Türkei ist tief entzweit. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kämpft um seine Macht. Ministerpräsident Erdogan steckt in einer großen, politischen Krise. "Wahrscheinlich in der größten seiner Laufbahn", so ORF-Korrespondent Christian Schüller. Es werde sehr schwer sein, heil aus dem Korruptionsskandal hervorzugehen.

Im März finden wichtige Lokalwahlen statt, die ein wichtiger Barometer für Erdogan sein könnten. "Deswegen versucht Erdogan jetzt, das Thema zu wechseln und ein vollkommen anderes Thema aufs Tapet zu bringen." Das Thema sei nun die Frage, ob hunderte Offiziere, die vor einigen Monaten zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sind, zu Recht verurteilt wurden und ob man diese Prozesse neu aufrollen soll. Seit Erdogan begonnen hat, über diese Frage zu sprechen, ist das das Thema Nummer eins in der Türkei. "Der Korruptionsskandal rückt in den Hintergrund, ein sehr geschicktes Manöver."

Wechsel der Allianzen nicht unüblich

In der Türkei wechseln die Allianzen sehr schnell. "Das ist nicht das erste Mal und wäre nicht das erste Mal, dass Erdogan das versucht", so ORF-Korrespondent Schüller. Es wäre zu viel gesagt, dass Erdogan das Militär auf seiner Seite habe. Es gehe darum, dass es zwischen Militär und Polizei einen Machtkampf gegeben hat. "Erdogan hat sich stark auf die Polizei gestützt. Die hat ihm geholfen, das Militär zu entmachten. Jetzt ist die Polizei zu stark geworden." Erdogan versuche nun, dieses Ungleichgewicht wieder zurechtzurücken, indem er die Feinde seiner jetzigen Feinde etwas rehabilitiert.

Wie stark ist Erdogans Macht?

"Derzeit gibt es keinen Politiker auf Oppositionsseite oder auf Seiten der AKP, der so gut mobilisieren kann wie Erdogan." Erdogan werde diese Stärke ausspielen und nach den Lokalwahlen und den Präsidentenwahlen wieder als starker Mann hervorgehen. Die Frage sei, wie weit er das Land gestalten könne. "In den vergangenen Monaten drehte sich alles darum, seine Macht zu erhalten."