Krim wird zu rechtlichem Niemandsland
Auf der Halbinsel Krim ist um Mitternacht für Hunderttausende Menschen eine Frist abgelaufen: Sie konnten entscheiden, ob sie die russische Staatsbürgerschaft annehmen oder doch die ukrainische behalten wollen. Genau einen Monat nach der Aufnahme in die russische Föderation rutscht die Halbinsel immer weiter in ein rechtliches Niemandsland ab, ausländische Firmen ziehen sich zurück.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 19.4.2014
"Völliger Mangel an Rechtsicherheit"
Vor den Bankomaten auf der Krim bilden sich seit Wochen Warteschlangen: Viele ukrainische Banken haben ihre Filialen geschlossen, darunter die Raiffeisen-Aval und die Tochter der Bank Austria. Die Abhebesummen sind limitiert, falls überhaupt noch Geld da ist, da die Lieferung aus der Ukraine praktisch eingestellt ist. Dass auch McDonalds seine Filialen geschlossen hat, lässt sich wohl noch verschmerzen.
Ausländische Firmen würden um die Krim in Zukunft aber einen weiten Bogen machen, warnte Stefan Wittich vom Institut für Völkerrecht der Uni Wien im Ö1-Mittagsjournal. "Es mangelt diesen Unternehmen völlig an der Rechtssicherheit", warnte er. Nach ukrainischem Recht würde wohl bald das russische Recht gelten - das unter einen Hut zu bekommen, sei für die Unternehmen sehr schwer bzw. unmöglich, befindet Wittich.
Noch gelten zwei Währungen
Die Ukraine bereitet zurzeit ein Gesetz vor, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zur Krim regeln soll. Voraussichtlich dürften alle bewilligungspflichtigen Geschäfte dort unter Strafe gestellt werden. Das heißt, wer auf der Krim geschäftlich tätig ist kann nicht mehr in der Ukraine tätig sein. Ein massives Problem für die russischen Banken, die auf der Krim einspringen könnten. Viele haben große Tochterfirmen in der Ukraine, deren Existenz damit infrage gestellt wird.
Bis Jahresende gilt auf der Krim der russische Rubel parallel zum ukrainischen Grivna. Wie die Münzen und Scheine auf die Halbinsel gelangen ist aber schwierig, denn es gibt keine direkte Straßen- oder Eisenbahnverbindung. Vor den Fähren aus Russland, so Augenzeugen, warten Lkw bereits tagelang auf die Überfahrt.
Tourismus vor schwierigen Zeiten
Besonders schwierig wird die heurige Tourismussaison, eine der Haupteinnahmequellen der Region. Mehr als die Hälfte der vier Millionen Touristen kam im vergangenen Jahr aus der Ukraine, der Großteil davon dürfte heuer ausbleiben. Der Flughafen in Simferopol hat aber nur eine Kapazität von einer Million, Russen können den Ausfall also bei weitem nicht ausgleichen. Flüge gibt es übrigens nur mehr nach Russland. Die Ukraine hat den Luftraum über den Krim gesperrt, internationale Fluglinien können daher nicht landen.
Für die Krimbewohner stellt sich auch die Frage wohin sie überhaupt reisen können, da praktisch kein Staat der Welt die Annexion anerkannt hat erhalten Bürger mit einem auf der Krim ausgestellten russische Pass auch keine Visa. Das werde sich in absehbarer Zeit auch kaum ändern, weil die Annexion durch Russland zumindest unter der Androhung von Waffengewalt erfolgt sei, so Wittich. "Eine solche schwere Völkerrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht sanierbar", betonte er. Völkerrechtlich anerkannt kann die Annexion erst nach einer Anerkennung durch Kiew werden - danach sieht es im Moment eher nicht aus.
Wie viele Krimbewohner bereits die russische Staatsbürgerschaft beantragt haben ist noch unklar. Wer nicht Russe wird muss dann auf kompliziertem Weg um eine Aufenthaltsbewilligung an seinem bisherigen Wohnort ansuchen. Krim-Premierminister Sergei Aksenow kündigte bereits an, wer sich weigere Russe zu werden, müsse damit rechnen, dass sein Eigentum noch einmal speziell überprüft werde.