Türkei: Erdogans Kampf gegen seine Gegner
Nach seinem Erfolg bei den Regionalwahlen hat der türkische Ministerpräsident Tayip Erdogan schon das nächste Ziel im Auge: die Präsidentenwahl im August. In deren Vorfeld geht Erdogan mit neuen Gesetzen gegen seine Kritiker vor. Richter und Staatsanwälte versucht er schon über ein neues Gesetz zu kontrollieren, jetzt erlaubt er den Geheimdiensten die Überwachung seiner Gegner ohne rechtliche Kontrolle.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 22.4.2014
Aus Istanbul
Staatspräsident nimmt sich aus dem Rennen
Ist die Türkei bereits auf dem Weg zur Ein-Mann-Diktatur, wie die Opposition behauptet? Oder setzt die AKP jetzt nur das Ergebnis ihres Wahlerfolges um, wie ihre Vertreter sagen? Wird das politische System jetzt ganz auf Erdogan zugeschnitten, wie viele Kommentatoren meinen?
Einer, dem noch am ehesten zugetraut wird, die Macht des Regierungschefs einzugrenzen ist Staatspräsident Gül. Der hat sich jetzt aber selbst aus dem Spiel genommen, zumindest vorübergehend. Es gebe viele Spekulationen darüber, welche Rolle er in Zukunft spielen werde, sagte Gül, aber er lege Wert darauf festzustellen, dass er unter den gegenwärtigen Umständen keine politischen Pläne habe.
Geheimdienst ohne gerichtliche Kontrolle
Dafür, dass die AKP bei den Parlamentswahlen nächstes Jahr eine satte absolute Mehrheit erreicht, will Erdogan schon jetzt vorsorgen. Er werde vorschlagen, in der Türkei das Mehrheitswahlrecht einzuführen, sagt Erdogan. Dann wäre er auch bereit, die Zehn-Prozent-Hürde zu streichen, die kleinen Parteien bisher den Einzug ins Parlament versperren würden.
Die Türkei ist also im Dauerwahlkampf – mit nur einem möglichen Sieger. Denn dass es in den nächsten Wochen keine überraschenden Enthüllungen geben wird, auch dafür hat der türkische Ministerpräsident vorgesorgt. Der Geheimdienst MIT, zur Zeit von Erdogans engstem Verbündeten geleitet, wird durch ein neues Gesetz nahezu unumschränkten Zugriff auf Daten und Informationen haben, und selbst keiner gerichtlichen Kontrolle mehr unterliegen.
"Türkei ist eine fortgeschrittene Demokratie"
Da passt es gut ins Bild, dass nun auch der Kurznachrichtendienst Twitter vor der türkischen Regierung zurück weicht. Zwei Twitter-Konten, die Telefonmitschnitte veröffentlicht haben, wurden gesperrt. Ihre Inhalte sind nur mehr in verpixelter Form zu sehen. "Jetzt spurt Twitter", sagt Erdogans Stellvertreter Atalay zufrieden. Man habe den Kurznachrichtendienst darauf aufmerksam gemacht, welche rechtliche Folgen es haben werde, sollte weiter der Persönlichkeitsschutz verletzt werden.
Die Türkei sei eben eine fortgeschrittene Demokratie, hatte Erdogan bereits vor Jahren gesagt. Lange wurde über diesen Ausdruck gerätselt. Jetzt wird Woche für Woche deutlicher, in welche Richtung dieser Fortschritt geht.