China: Hoher Preis der Umweltverschmutzung

Die enorme Umweltzerstörung in China kostet das Land laut Schätzungen der Weltbank hunderte Milliarden Euro pro Jahr. Allein die medizinischen Behandlungskosten von Smog-Opfern kosten 200 Milliarden. Die verheerenden Folgen des jahrzehntelangen Turbowachstums werden sichtbarer. In China wird darüber immer offener gesprochen; das grüne Gewissen wächst dabei vor allem bei der städtischen Mittelschicht.

Mittagsjournal, 3.5.2014

Aus Peking,

"Umweltzerstörung gefährdet soziale Stabilität"

Das Time Magazin zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Als Journalist und Schriftsteller hat er vor 15 Jahren das erste umfassende Werk zu Chinas Umweltapokalypse veröffentlicht. Zu einer Zeit als es noch gefährlich war, über Umweltfragen überhaupt zu diskutieren. Damals wie heute nimmt sich Ma Jun kein Blatt vor den Mund:

"Die Kosten der Umweltzerstörung sind enorm. Vor allem die Kosten für die öffentliche Gesundheit. Hunderte Millionen Menschen in China sind Smog, verschmutztem Wasser und kontaminierten Böden ausgesetzt. China hat ohnehin nur sehr knappe Ressourcen, und die werden jetzt zerstört. Das alles gefährdet auch die soziale Stabilität in unserem Land. Immer öfters sehen wir Massenproteste, die von Problemen mit Umweltverschmutzern ausgelöst werden."

Solche Proteste gefährden die soziale Harmonie. Vielleicht ist das der Grund warum die Mächtigen in Peking Ma Jun, der ihnen lange Zeit suspekt war, mittlerweile immer öfters zu hören.

Umweltsünder am Pranger

Den Bossen industrieller Dreckschleudern ist er hingegen verhasst. Aus gutem Grund: seine Umweltdenkfabrik betreibt mittlerweile die umfassendste Datenbank Chinas wenn es um Fakten zu den größten Verschmutzern des Landes geht. Per Maus-Click können sich Anrainer oder potentielle Investoren ein Bild davon machen, mit welchen Substanzen und in welchem Ausmaß ein Unternehmen die Umwelt verseucht. Das könnte tatsächlich Wirkung zeigen. Wer investiert schon Geld in Unternehmen, denen die Regierung künftig die Daumenschrauben anlegen will. Oder sie gar zusperren wird. Chinas Premierminister hat wörtlich zum Krieg gegen die Umweltverschmutzung, besonders den Smog, geblasen.

Zahnlose Gesetze

In Peking und drei Nachbarprovinzen soll der Kohleverbrauch ab sofort jedes Jahr um 10% gesenkt werden und die Feinstaubbelastung in der Hauptstadt bis 2017 um 25% fallen. Ein ehrgeiziger Plan, trotzdem sei Skepsis angebracht, sagt Ma Jun:

„Wir haben die Umweltgesetze und Regeln von westlichen Ländern kopiert. Aber es hapert bei uns nach wie vor bei der Umsetzung. Unternehmen wegen Umweltvergehen zu klagen ist immer noch schwierig. Die Konsequenz ist, dass Verschmutzer zu wenig Druck verspüren. Sie zahlen lieber eine kleine Strafe als wirklich die Produktion umzustellen.“

Ätzendes Wasser, beißende Luft

Dabei seien Chinas Probleme mit dem Smog im Vergleich zu den Problemen mit den verschmutzen Gewässern und Böden noch relativ leicht lösbar, sagt Ma Jun. 300 Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ein Fünftel der Gewässer ist so stark verschmutzt, dass allein der Hautkontakt gefährlich ist. Zumindest die verpestete Luft in Chinas Städten könnte aber auch ihr Gutes haben: angeblich machen die USA und China in Gesprächen über eine verbindliche Reduktion von CO2-Emissionen jüngst deutliche Fortschritte. Nicht zuletzt, weil man in Peking genau weiß, dass man das Verfeuern von Kohle einschränken muss - dass es zu einem saubereren Wirtschaftsmodell keine Alternative gibt.