Finanztransaktionssteuer: Experten zweifeln
In Brüssel gehen heute die Verhandlungen der EU-Finanzminister um eine Finanztransaktionssteuer weiter. Elf Eurostaaten haben sich gestern auf eine stufenweise Einführung ab dem Jahr 2016 geeinigt, aber es sind dabei einige Ausnahmen vorgesehen - was dazu führt, dass Experten heute den Sinn der Steuer stark in Zweifel ziehen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 6.5.2014
Spekulanten werden verschont
Der Kampf gegen hochriskante Spekulations-geschäfte stand am Anfang der Debatte über eine EU-weite Finanz-transaktions-steuer. Gedacht war an eine Steuer auf jedes einzelne Finanz-geschäft, alles sollte erfasst werden, nicht nur Aktien, Anleihen, sondern vor allem der Handel mit Derivaten, der besonders hohe Gewinne abwirft.
Jetzt fünf Jahr später bleibt eine Minimalvariante der Finanzmarktsteuer übrig, von der einer der Erfinder der Maßnahme, der Wiener Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister, nichts mehr hält. Es sei ein Begräbnis erster Klasse. Es wäre besser alles abzusagen.
Zwei Probleme sieht Schulmeister. Erstens die stufenweise Einführung, zuerst sollen laut EU-Kommission nur Aktienkäufe besteuert werden, der millionenfache Handel mit Derivaten bleibt in der ersten Phase ausgenommen. Die professionellen Spekulanten sind heute aber genau mit den Derivaten tätig. Dadurch wird die Steuer zu wenig abwerfen, viel weniger als jetzt vorhergesagt.
Das zweite Problem laut Schulmeister: Die EU-Kommission will den Handel mit Aktien und Anleihen stärker besteuern als den Handel mit spekulativen Derivaten. Die Steuer trifft die Falschen: jene, die in Pensionsfonds anlegen werden bestraft. Hingegen, die die das schnelle Spiel auf Basis von computergesteuerten Systemen betreiben, bekommen einen zehnfach niedrigeren Steuersatz. Nämlich nur 0,01 Prozent. Bei Aktien und Anleihen denkt die Kommission an einen Steuersatz von 0,1 Prozent. Beim Kauf einer Aktie im Wert von 10.000 Euro würde die Steuer 10 Euro ausmachen. Einmalig, wenn der Anleger das Wertpapier kauft. Pensionsfonds, die laufend Anteile zukaufen und verkaufen, wären stärker betroffen, die Spesen für Anleger würden steigen.
Das Gegenteil erreicht
Mit dem vorläufigen Ergebnis unzufrieden ist auch der Bankenexperte der Wiener Wirtschaftsuni Stefan Pichler: die vielen Ausnahmen würde den Sinn der Maßnahme ins Gegenteil verkehren. Es sei eine reine Börsenumsatzsteuer auf Aktien. Man erreiche das Gegenteil vom ursprünglichen Vorhaben. Nämlich, dass sich Unternehmen und Staaten nicht mehr so günstig Geld am Kapitalmarkt holen können. Die professionellen Spekulanten kommen hingegen ungeschoren davon, weil sie in Länder ohne Steuer wie die USA und Großbritannien ausweichen können. Ist die Maßnahme also eine reine Geldbeschaffung für die knappen Staatsbudgets? Es werde kein Geld hereinkommen, sagt der Wirtschaftsforscher Schulmeister.